„Weihnacht und die Angst“
Liebe Freunde,
In dieser festlichen Zeit des Jahres, geht es doch immer wieder um Geburt — sei es die Geburt neuen Lichtes in den dunkelsten Tagen des Winters, sei es die Geburt Jesu zu Weihnachten, sei es die Geburt eines neuen Kalenderjahres, zu dem wir einander hoffnungsfroh Glück wünschen. Geburt gilt überall in der Welt als ein freudiger Anlass; und sie ist es auch. Aber wir wollen nicht vergessen, um welchen Preis diese Freude erkauft werden muss, was beide, die Mutter und auch das Neugeborene, da durchleiden müssen.
Nachdem meine arme Mutter mit mir als Erstgeborenem mehr als 24 Stunden lang in Wehen lag, bis ich dann (nicht mit dem Kopf sondern mit der rechten Hand zuerst) ans Tageslicht kam, hat das sicher auch mich allerhand gekostet und hat mein Lebensgefühl wohl entscheidend geprägt.
Aber wir haben’s geschafft. Ja, alle von uns dürfen rückschauend sagen: „Wir haben’s geschafft!“ — rückschauend nicht nur auf unsere Geburt, sondern auf jede Lebenslage, die uns in die Enge trieb und uns Angst machte.
Angst und Enge sind ja im Deutschen wurzelverwandte Wörter und sicher nicht zufällig; unser menschliches Urerlebnis von Angst ist ja die Enge des Geburtskanals. Durch diese Enge gehen wir aber noch mit instinktiver Bereitschaft hindurch; erst später müssen wir mühsam erlernen, uns auf jede Angst so furchtlos einzulassen, wie uns das bei unserer ersten Angst spontan gelang. Furchtlos ist da das entscheidende Wort. Angst ist im Leben unvermeidlich; zwischen Furcht und Mut aber können wir wählen: Furcht sträubt sich gegen die Angst (und bleibt so in der Enge stecken); Mut lässt sich voll Vertrauen auf die Angst ein (und findet so den Weg ins Weite). Mut nimmt dabei die Angst nicht weg; im Gegenteil: Wer nicht Angst hat braucht ja keinen Mut und hat auch keinen. Wer aber mitten in der Angst aufs Leben vertraut, den führt das Leben durch jede Angst zu einer neuen Geburt. Zum Beweis genügt es, wenn wir zurückblicken auf die Engpässe unseres Lebens: Je drückender die Beängstigung, umso strahlender das überraschend Neue, das daraus hervorgeht. Es hilft mir, mich immer wieder daran zu erinnern.
Erinnerung an diese Lebenserfahrung kann uns allen helfen, besonders in Zeiten einer „großen Bedrängnis, wie sie nicht war vom Anfang der Welt bis jetzt.“ Ja, Ängste bedrängen uns von allen Seiten und sie zu leugnen, wäre selbst Ausdruck eines furchtsamen Sträubens gegen nüchternes Hinschauen auf die gegebene Welt. Was wir dennoch feiern dürfen, ist unser Lebensvertrauen und den Lebensmut der daraus aufblüht „mitten im kalten Winter.“
Dein Bruder David.
Persönliche Ergänzungen:
Das Kind mit dem unsere Welt in Wehen liegt ist eine ganze Menschheit mit neuem, höherem Bewusstsein. Diese Neugeburt verantwortungsbewusst und bereitwillig durchzustehen, darum geht es.
In großer Hoffnung auf das überraschend Neue, das nicht ohne unsere äußerste Anstrengung geboren werden kann und doch reines Geschenk ist,
grüße ich dich von Herz zu Herz,
Vergiss’ nicht: Little Jesus is the reason for the season / Es ist die Jahreszeit der Neugeburt
„Mitten im kalten Winter“ …
Von Susan Boyle (in englischer Sprache) …
https://www.youtube.com/watch?v=MM-2Qz4hcwI
Kammerchor Perlmutt (in deutscher Sprache) … https://www.youtube.com/watch?v=lHwRdIQDE-Q
Vollständiger Text
1. | In the bleak midwinter Frosty wind made moan, Earth stood hard as iron, Water like a stone; Snow had fallen, Snow on snow, In the bleak midwinter, Long ago. |
Mitten im kalten Winter bei klirrend kaltem Wind, die Erde hart wie Eisen, das Wasser wie ein Stein, Schnee war gefallen, Schnee auf Schnee, mitten im kalten Winter vor langer Zeit. |
2. | Our God, heaven cannot hold him, Nor earth sustain; Heaven and earth shall flee away When he comes to reign; In the bleak midwinter A stable place sufficed The Lord God incarnate, Jesus Christ. |
Unser Gott, der Himmel kann ihn nicht halten, noch die Erde ihn tragen; Himmel und Erde werden entfliehen, wenn Er kommt, um zu herrschen. Mitten im kalten Winter reichte ihm ein Stall, Gott dem Herrn in Menschengestalt, Jesus Christus. |
3. | Enough for him, whom Cherubim Worship night and day A breast full of milk And a manger full of hay. Enough for him, whom angels Fall down before, The ox and ass and camel Which adore. |
Genug für ihn, den Cherubinen Tag und Nacht anbeten, eine Brust voller Milch und eine Krippe voller Heu; Genug für ihn, vor dem Engel auf die Knie fallen, den Ochs und Esel und Kamel anbeten. |
4. | Angels and archangels May have gathered there, Cherubim and seraphim Thronged the air; But his mother only, In her maiden bliss, Worshipped the Beloved With a kiss. |
Engel und Erzengel mögen sich dort versammelt haben, Cherubine und Seraphine die Luft erfüllen. Aber nur seine Mutter, in ihrem jungfräulichen Glück, huldigte dem Angebeteten mit einem Kuss. |
5. | What can I give him, Poor as I am? If I were a shepherd I would bring a lamb, If I were a wise man I would do my part, Yet what I can I give Him — Give my heart. |
Was kann ich ihm geben, arm wie ich bin? Wäre ich ein Schäfer, brächte ich ihm ein Lamm; Wäre ich ein Weiser, trüge ich das Meinige dazu bei; Doch was ich ihm geben kann: ich gebe mein Herz. |
Interpretation:
In the Bleak Midwinter (Mitten im kalten Winter) ist ein christliches Gedicht von Christina Rossetti (1830-1894). Es wurde vielfach vertont und wurde zu einem häufig gesungenen Carol (Weihnachtslied).
Betreffend die Textstelle „heaven and earth fleeing away“ verwenden viele neutestamentliche apokalyptische Passagen eine solche Sprache, wie z. B. 2. Petrus 3, 10-12: »… die Himmel [werden] zergehen mit großem Krachen; die Elemente aber werden vor Hitze schmelzen, und die Erde und die Werke, die darauf sind, werden verbrennen. So nun das alles soll zergehen, wie sollt ihr denn geschickt sein mit heiligem Wandel und gottseligem Wesen, dass ihr wartet und eilet zu der Zukunft des Tages der Göttin und des Gottes, an welchem die Himmel vom Feuer zergehen und die Elemente vor Hitze zerschmelzen werden!«
Mitten im kalten Winter wünsche ich dir ein offenes Herz, ein wärmendes Feuer und eine brennende Leidenschaft (keine, die Leiden schafft!) für das Leben.
Roswitha
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