Andrea Riemer: „Erlösung und Auferstehung – ist nichts für Feiglinge“

Veränderungszeiten … wohin wandeln …?

Erlösung und Auferstehung werden immer wieder mit den ganz großen Veränderungen in Zusammenhang gebracht. Es ist dann vom Phoenix aus der Asche die Rede, von vollkommenen Brüchen und totalen Veränderungen. In der Astrologie – zum Beispiel – galt das Pluto-Uranus-Quadrat, das uns in den vergangenen circa sieben Jahren mal mehr, mal weniger im Kollektiv begleitete, als metaphorischer Ausdruck dafür. Es ist energetisch die Möglichkeit (!), durch einen plötzlichen Impuls sich bis in tiefste Tiefen kraftvoll zu wandeln. Mir passierte dies 2011, als alle energetischen Auslöser „Dienst hatten“ – und ich mich für einen kompletten persönlichen und beruflichen Neuanfang entschied. Nach dem Motto – halb zog es mich, halb sank ich hin. Nicht immer leicht, doch notwendig und befreiend.

Sieht man sich die Zeit z.B. seit 2008 (hier betrat Pluto das Zeichen Steinbock mit dem Motto „Was Substanz hat, bleibt – was keine hat, das geht“) an, dann lassen sich dafür unzählige kollektive und auch persönliche Entsprechungen finden – Bankenkrisen, diverse Kriege, die Hinterfragung des Geldsystems, das Bröckeln des Sozialsystems etc.. Kaum eine/r blieb davon unberührt. Nun machen diese Energien bekanntermaßen bloß gewogen und sind nicht der Wandel selbst. Der muss schon von der Einzelnen/vom Einzelnen und – gebündelt – vom Kollektiv kommen.

Menschen, die aus sich heraus veränderungsfreudig sind, tun sich mit diesen Energien leichter als jene, die viel Wert auf Stabilität legen und für die Veränderung etwas Anstrengendes und oft Angst Auslösendes ist. Erlösung wird zum Drama, zur Katastrophe. Die Auferstehung wird zu etwas Erzwungenem oder einer verpassten Gelegenheit, die so nicht mehr wieder kommt. Wer bei diesen Energien einen hinhaltenden Kampf führt, wird, um alles in der Welt, das Vorhandene vor allem aus Angst beibehalten wollen. Wer eine Salamitaktikveränderung gerade noch zulässt, muss damit rechnen, dass das Leben vor einem steht und nicht mehr fragt, ob man denn nun endlich springen wolle, sondern es sagt schlicht – hier ist die neue Lage; du hast zu springen. Den vielzitierten freien Willen gibt es dann nur mehr in einem sehr eingeschränkten Maß.

Das alchemistische Grundprinzip von solve et coagula (lat. löse und verbinde) ist die Schlüsselformel für Wandel im übertragenen Sinn. Es geht dabei darum, aus Blei (=Altes) durch Analysen, Trennungen oder Auflösungen von bekanntem Vorhandenen etwas Neues durch ein Zusammenfügen zu einem besseren Ergebnis zu machen (=Gold).
Erlösung und Auferstehung haben mit diesem Prinzip sehr viel zu tun, für uns als Menschheit und für Sie und mich als Menschen. Man kann das Prinzip als Metapher für den ständigen Wandel, für die Veredelung lesen. Wie geht man da nun ran an dieses fast schon zu Tode zitierte „löse und binde“? Soll man es gleich vergessen? Oder kann man es gar nicht vergessen? Was nutzt einem dieses Grundprinzip und wie viel Mut braucht man dazu? Nun kann man berechtigt fragen – was hat das alles mit Erlösung und Auferstehung zu tun, außer glanzvolle Gedanken, Bibelreferenzen und uralte Stehsätze?
Erlösung … der erste Schritt

Wo ist er nun, der Zusammenhang? So platt das klingen mag: Neues kann nur dann in Erscheinung treten, wenn Altes vorab gewandelt ist. In unserem Universum kommt nie etwas hinzu oder weg – es gibt keine Löcher! Es kommt zu Veränderungen von dem was vorhanden ist. Das ist meistens unangenehm und schmerzvoll – wer tritt denn gerne aus der wohlvertrauten Komfortzone heraus?… Sie ist doch so angenehm. Es muss etwas erlöst, gelöst werden, damit etwas anderes erstehen, auferstehen kann.

Mittlerweile leben wir in einem Abschnitt, wo man nichts mehr wegdrücken und auch nicht mehr davonlaufen kann. Wohin denn – frage ich immer wieder. Sie tragen sich mit sich selbst herum. Daher ist es anempfohlen, sich Möglichkeiten der Erlösung anzusehen. Meistens ist es der eigene Schatten, der sich in ganz unterschiedlichen Mäntelchen zeigt. Er ist zurzeit höchst lästig, weil er erlöst werden will – mittels Integration – er gehört dazu – Sie erinnern sich, es geht nichts verloren. Der Schatten ist sehr fantasievoll in seiner Präsentation und ein Quälgeist im besten Sinn des Wortes. Doch er meint es nicht böse mit Ihnen.

Erlösung bedeutet daher, sich von etwas zu lösen. Nein – nicht in die Tonne treten, nicht verbrennen, nicht abtöten, nicht wegwerfen. Davon ist hier nicht die Rede. Erlösung bedeutet anerkennen, was ist. Damit wird Integration möglich. Der Schatten will schlicht zu Ihnen gehören. Er will Sie „ganz“ machen. Das Leben will von Ihnen Anerkennung des als schön Bewerteten ebenso wie des als weniger schön Bewerteten. Es geht nicht ums Gutheißen, sondern um ein simples „Ja“ – wo soll es denn hin, wenn es schon da ist?! Erlösung verlangt dabei, einen Schritt zurückzutreten, inne zu halten, durchzuatmen, sein zu lassen, die Leere zu achten. Das ist schwer. Das ist unangenehm. Das tut weh. Und – davonlaufen ist nicht mehr. Wohin wollen Sie laufen? Es geht doch um Sie?

Erlösung bedeutet auch, natürliche Übergänge zu achten, wie beispielsweise das Ende eines Zyklus. Kein Anstückeln bei dem, wo ein Anstückeln nicht möglich und auch gar nicht sinnvoll ist, weil es nichts bringt, außer vielleicht Schein, ein bisschen Zeit kaufen und letztlich Schmerz, dass es doch nicht geklappt hat. Der berühmte verpasste Moment … wer zu spät kommt, den bestraft die Geschichte.

Erlösung bedeutet daher auch, das Ende von Etwas zu achten – so lieb wir es auch gewonnen haben, so sehr es auch Teil von uns geworden sein mag. Erlösung ist immer mit einer Form von Tod verbunden. Damit meine ich nicht notwendigerweise den physischen Tod. Nein – ich meine damit jegliche Form von Wandel, von zu Asche werden lassen. Das muss nicht immer spektakulär, dramatisch, alles verzehrend sein. Nein. Erlösung kann auch ganz in Ruhe, in der Stille geschehen.

Wenn man durch die Erlösung, die wie ein Kanal ist, durchgegangen ist, dann stellt sich Leere ein. Die Tage, an denen Jesus im Grab lag, sind sinnbildlicher Ausdruck für diese Leere. Einmal nichts tun, sich innerlich sammeln, sich ausruhen, die Gedanken baumeln lassen und damit den Boden für Neues bereiten. Aus der Asche das Neue entstehen lassen. Auch das muss man aushalten können. Es ist wie bei einem Bauern, der abgeerntet – und den Boden umgepflügt hat und nun dem Boden die nötige Ruhe gibt, um sich zu erholen. Dann kann eine Neubepflanzung einsetzen.
Auferstehung – Mysterium oder tägliche Normalität?

Viele verbinden eine Auferstehung mit etwas Neuem, noch nie Dagewesenem, etwas Einzigartigem, etwas Explosionsartigem, etwas Erleuchtetem. Der Vorstellung sind ja keine Grenzen gesetzt. Wohl vielleicht auch, weil die bekannteste Auferstehung, jene von Jesus, noch immer als spektakulär empfunden wird und für den menschlichen Verstand nicht erfassbar ist. Das innere Bild, das sie bei vielen erzeugt, gepaart mit dem besonderen Gefühl, ist jenes des unerwarteten Neubeginns, des bislang nie Geglaubten, nie Dagewesenen.

Das kann man so sehen, man kann jedoch – weniger spektakulär – jeden Tag als eine Möglichkeit zur persönlichen Auferstehung sehen. Wer sagt, dass man so weitertun muss, wie gestern oder vorgestern? Nur Sie selbst. Wir können im weitesten Sinn täglich die Entscheidung treffen, zum Phoenix aus der Asche zu werden und diese Energie der Auferstehung zu leben.

Ist das einfach? Kann sein, muss es nicht sein. Wenn man jedoch begreift, dass es eine innere Entscheidung ist, dann ist mit dem bewussten Akt dazu nicht viel mehr verbunden – ein kurzer, innerer Ruck, das Überschreiten des inneren Kipppunktes.
Meistens wird das Zurücklassen von Altem dann auch tatsächlich als Erlösung empfunden. Wenn das Zurücklassen im Sinne von Dabei-bewenden-lassen in einem versöhnten und versöhnlichen Maß geschieht, dann ist die beste Grundlage für die Auferstehung schon gelegt.

So lässt sich die uns aus der Bibel bekannte Leidensgeschichte mit der Auferstehung auch ein wenig anders lesen, wenn man die Schlüsselstationen herausfindet und für sich einordnet.

Der Tod als Ende eines Zyklus ist untrennbar mit Erlösung und Auferstehung verbunden. Die Natur zeigt uns das Jahr für Jahr. Unser Körper mit den Lebensphasen macht es uns ebenfalls deutlich. Erlösung und Auferstehung sind also keine mystischen Vorgänge, sondern ganz selbstverständliche und natürliche Teile unseres Seins. Damit könnte man dem Frühlingsbeginn und dem Osterfest eine Bedeutung geben, die beide haben: Altes wird zurückgelassen, Versöhnung ist möglich, die Entscheidung zum Neubeginn kommt aus dem eigenen Innen – keine/r nimmt sie einem ab – und – Auferstehung ist jeder/m möglich. Sie ist keine Angelegenheit für besonders Erleuchtete, Brave, Wohlmeinende – nein – Erlösung und Auferstehung sind uns allen möglich.

Was ist nun die köstliche Nutzanwendung von Erlösung und Auferstehung?

Erkennen Sie, dass das gesamte Leben vom alchemistische Grundprinzip von solve et coagula (lat. löse und verbinde) charakterisiert ist, weil Leben Energie ist und Energie immer in Veränderung ist. Dazu braucht man kein besonderes Vorstellungsvermögen. Nehmen Sie mal an – es ist so. Wenn Sie Lust haben, durchforsten Sie die Geschichte nach Beispielen.

Erkennen Sie und nehmen Sie an, dass wir in mal mehr, mal weniger turbulenten Veränderungszeiten leben, die auch nicht so bald enden werden. D.h. es ist von Vorteil, sich weiterhin auf eine Schotterstraße des Lebens innerlich einzustellen, Schlaglöcher inbegriffen. Wer ordentliche innere Stoßdämpfer und ein flexibles Fahrgestell mit einer robusten Karosserie mitbringt, ist im Vorteil. Dahinbrettern ist dann nicht. So verpassen Sie auf dieser Reise durchs Leben auch die schöne Landschaft nicht.

Sterne hin, Sterne her, wir dürfen, ja müssen anerkennen, dass teilweise Jahrhunderte lange Zyklen zu Ende gehen, wie durch die rasante Digitalisierung, die all unsere Lebensbereiche durchzieht, demonstriert. Wer nicht dabei ist, wird nicht wahrgenommen. Das mag man als brutal empfinden, doch es ist so. Klar, einfach und faktisch.

Damit entstehen wahrlich mehrere Paralleluniversen, die alle ihre Berechtigung haben, doch durchaus voneinander abgekoppelt dahinwabern. Auch das ist in großen Übergängen so. Dagegen anzukämpfen, ist sinnlos. Auch hier gilt – annehmen und in der berühmten Mitte schwimmen.

Wenn Sie mit den Energien mitgehen, dann tun Sie sich deutlich leichter. Offenheit und Neugierde sind dabei sehr hilfreich. Nicht alles kritiklos mitmachen, doch innerlich offen für Neuigkeiten sein – das ist Teil der Lösung. Das Leben will Ausweitung und Wachstum. Seien Sie Teil davon und nehmen Sie diese Chance wahr. Sie wird Ihnen kostenlos frei Haus angeboten.

Erkennen Sie, dass Leben leben heißt und kein Dauerkampf ist. Mit dem antrainierten Dauerüberlebenskampf leben Sie am Leben und dem, was für Sie vorgesehen ist, vorbei. Schade – es ist so viel Brauchbares, Förderliches, Schönes für Sie dabei.

Erlösen Sie sich von Altem, das auserzählt ist, auch wenn es anfänglich wehtut. Würdigen Sie das, was Sie bislang erlebt haben. Dann fällt es leichter, durchaus stolz auf das bisher Erreichte zu sein. Eine Prise Dankbarkeit schadet dabei auch nicht. All das macht Integration möglich.

Lassen Sie der Leere ihren Raum. Das ist wichtig, denn hasten ist nicht die Lebensaufgabe – genauso wenig wie schleppen die Lebensaufgabe ist. Doch die Leere auszuhalten ist eine Aufgabe, die unglaublich inspirierend sein kann. Glauben Sie mir – das Neue steht sowieso schon vor Ihrer Türe.

Geben Sie dem Leben eine Chance, Sie zu überraschen – mit Ihrer persönlichen Auferstehung, die sie so nie erwarten konnten. Sie haben keine Vorstellung, welche Möglichkeiten das Leben hat – genau für Sie. Bleiben Sie dran wie die mutige Maria Magdalena in der Erstbegegnung mit Jesus am Grab. Sie erwartete nichts – und erhielt das große Geschenk, als Erste die Auferstehung zu erfahren.

Das sind doch wundervolle Aussichten – Gestatten Sie dem Leben, Ihnen zu zeigen, was möglich ist. Bleiben Sie mutig und vertrauensvoll – denn weder Erlösung noch Auferstehung ist etwas für Feiglinge.

Der Beitrag wurde am 28.3.2018 bei spirit-online.de erstveröffentlicht

Erlösung und Auferstehung – nichts für Feiglinge

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