Bewusstsein ist alles
Der großartige spirituelle Lehrer Rupert Spira schreibt in seinem bemerkenswerten Buch „Bewusstsein ist alles“ (S. 145): „Um auf die zweite Stufe des Verstehens hinzuwirken, lässt Bewusstsein zunächst seine exklusive Identifikation mit einem einzelnen Körper/Geist los und lernt sich selbst als Nichts, als ‚Kein-Ding‘, als kein Objekt, keine Erscheinung kennen.
Es entdeckt sich selbst als Zeugen aller Objekte, bevor es sich wieder auf die Totalität seiner Erfahrung einlässt und sich selbst als alles erkennt. Bewusstsein vollzieht den Übergang von ‚Ich bin etwas‘ zu ‚Ich bin nichts‘ und dann von ‚Ich bin nichts‘ zu ‚Ich bin alles‘, ohne je etwas anderes als es selbst zu sein oder zu werden.“
Ich werde im Folgenden den Versuch wagen, die drei von Spira genannten „Erkenntnisstufen“ in eigene Worte zu kleiden und auszuführen.
Etwas … Nichts … Alles
Im Falle der meisten Menschen setzt das Bewusstsein seine Identität bekanntlich mit einem bestimmten physischen Körper gleich. Es glaubt, ausschließlich der Körper zu sein. In diesem Zustand dominiert die Vorstellung: „Ich bin etwas.“ (bzw. jemand) Demnach richtet das Bewusstsein den Fokus auf einen Aspekt seiner Wahrnehmungen und identifiziert sich mit diesem auserwählten Teil des Erfahrungsspektrums, während es die vermeintliche Außenwelt als von der eigenen Identität verschieden interpretiert. Daraus resultiert die begrenzende Schlussfolgerung: „Dies bin ich und das bin ich nicht!“ So ignoriert es seine wirkliche Natur, glaubt folglich, ein einzelnes Bild auf der Leinwand zu sein (um analogisch zu sprechen) und schränkt sich selbst erheblich ein.
Intuitive Impulse oder bestimmte Ereignisse können zu Einsichten führen, durch die sich das Bewusstsein an sich selbst erinnert. Dies löst eine Disidentifikation von der physischen Form aus, weil erkannt wird, dass das wahre Selbst unabhängig von einem funktionierenden Körper ist (was auch objektiv einwandfrei nachgewiesen wurde; siehe Beitrag „Es gibt keinen Tod“).
Das Bewusstsein registriert seine eigene formlose Essenz, verweilt als unbeteiligter Zeuge im Hintergrund und bleibt von dem Formenspiel unberührt, das sich im Vordergrund zu entfalten scheint. In diesem „Stadium“ sieht es ein: „Ich bin nichts.“ (bzw. niemand; im Sinne von no-body / no-thing; keine Materie und von dieser unabhängig) Das Bewusstsein erkennt sich selbst als die unendliche Leinwand, auf der alle Bilder erscheinen.
In vielen spirituellen Lehren wird durch die „Nicht dies, nicht das“-Vorgehensweise immer wieder auf die Unabhängigkeit des Bewusstseins von den vielfältigen Erscheinungen verwiesen, weil die meisten Menschen immer noch nicht über die “Ich bin etwas“-Erkenntnisebene hinausgelangt sind und zunächst diese exklusive Identifikation überwunden werden sollte. Die Aussage „Ich bin nicht der Körper“ soll also vorerst andeuten, dass sich unsere essentielle Natur nicht auf einen Körper reduzieren lässt.
Es besteht jedoch ein wichtiger Unterschied zwischen „Ich bin nicht der Körper“ und „Ich bin nicht nur der Körper“…
Letztendlich können wir zu der tiefen Erkenntnis gelangen, dass Bewusstsein alles ist. So entlarvt sich die physische Welt als dessen Manifestation – als die Form, die das Bewusstsein annimmt, um sich selbst darin zu erfahren.
Daher begegnet man gelegentlich Aussagen wie (sinngemäß) dieser: „Die Welt ist absolut real aus einer materialistischen Perspektive. Sie ist eine vollkommene Illusion, wenn sie als vom Bewusstsein unabhängig und andersartig betrachtet wird.
Sie ist wieder real, wenn sie als Ausdruck des Bewusstseins erkannt wird.“ Die letzte Erkenntnisebene offenbart eine tiefgreifende Tatsache: „Ich bin nicht nur die Leinwand, sondern auch jedes Bild, das auf ihr erscheint. Denn ausnahmslos jedes Bild besteht nur aus der Leinwand. Ich bin alles.“
Gedankenexperiment
Da diese Erkenntnis zu tiefgehend für die intellektuelle Ebene des Verstehens ist, fahre ich zunächst mit einem Gedankenexperiment fort, um dem menschlichen Verstand einen Zugang zu ermöglichen.
Angenommen, wir befinden uns in einem nächtlichen Traum.
Wir träumen, dass wir barfuß über eine Wiese schreiten und die Sonne genießen, welche das Gras unter unseren Sohlen in einem wundervollen Grün erstrahlen lässt.
In der Ferne erblicken wir einen großen Baum und bestaunen dessen Schönheit. Innerhalb dieses Traums würden wir mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit aus vollster Überzeugung behaupten, dass die Sonne, die Wiese, der Baum und sämtliche Erscheinungen in diesem Traum völlig unabhängig von unserem Bewusstsein existieren.
Wir erfahren uns als Person und somit als Bestandteil der physischen Welt, die wir bewusst wahrnehmen, während wir träumen. Tatsache aber ist, dass der gesamte Inhalt des Traums inkl. Sonne, Wiese und Baum verschwindet, sobald der Traum endet und wir erwachen. Wir öffnen die Augen und erkennen, dass wir geschlafen haben.
Tatsächlich also war die gesamte Welt, an deren vermeintlicher Realität wir innerhalb des Traumes nicht gezweifelt haben, sehr wohl einzig und allein von unserem Bewusstsein abhängig.
Dieses Bewusstsein ist der Träumende. Die Sonne, die Wiese und der Baum waren Schöpfungen des Bewusstseins, sie waren sozusagen aus Bewusstsein gemacht, denn dieses war ihre alleinige Substanz und Essenz.
Sobald das Bewusstsein sich von diesen Wahrnehmungen zurückzieht, löst sich der gesamte Inhalt auf.
Besteht denn ein wirklich signifikanter Unterschied zwischen unseren Träumen im Schlaf und den Wahrnehmungen während des sogenannten Wachzustandes? Abgesehen davon, dass Letztere beständiger und geordneter zu sein scheinen, überwiegen offensichtlich ganz eindeutig die Gemeinsamkeiten. Letztendlich entpuppt sich der Inhalt beider Bewusstseinszustände als flüchtige Erscheinung.
Es gibt in der Tat gravierende Hinweise darauf, dass auch dieses Leben letztlich nicht mehr ist als ein Traum. Viele nahtoderfahrene Menschen berichten von einer Wahrnehmungsintensität, welche die Realität unserer gegenwärtigen Erfahrungen ernsthaft in Frage stellt, wenn man sie damit in Relation setzt.
In tiefer Meditation können wir zu der von allen Zweifeln befreiten Gewissheit gelangen, dass das Bewusstsein selbst die alleinige Grundlage aller Existenz ist. Ohne Bewusstsein existiert nichts.
Bestätigung seitens der Quantenphysik
Es ist ohnehin grundsätzlich vollkommen unmöglich, jemals auch nur einen einzigen Beweis dafür zu finden, dass irgendetwas unabhängig vom Bewusstsein existiert, weil es die Anwesenheit des Bewusstseins voraussetzt, um eine derartige Überprüfung vorzunehmen. Sogar in den Naturwissenschaften haben Forschungsresultate eine Tür zu der Erkenntnis geöffnet, dass die Rolle des beobachtenden Bewusstseins keinesfalls zu unterschätzen ist…
Der Neurochirurg Dr. Eben Alexander (intensives Nahtoderlebnis durch schwere Hirnhautentzündung, welche das Gehirn vollständig lahmlegte) trifft auf S. 202 seines Buches „Blick in die Ewigkeit“ folgende Aussage: „In den 1920er-Jahren machte der Physiker Werner Heisenberg (und andere Begründer der Quantenmechanik) eine Entdeckung, die so seltsam ist, dass sich die Welt immer noch nicht damit abgefunden hat.
Bei der Beobachtung subatomarer Phänomene ist es unmöglich, den Beobachter (d. h. den Wissenschaftler, der das Experiment macht) vollständig vom Beobachteten zu trennen. Im Alltag übersieht man diese Tatsache allerdings leicht. (…)
Es ist unmöglich, die innerste Realität des Universums zu erforschen, ohne sein Bewusstsein einzusetzen.
Das Bewusstsein ist nicht nur alles andere als ein unwichtiges Nebenprodukt körperlicher Prozesse, es ist (…) höchstwahrscheinlich die Basis von allem.“ Im Nachfolgewerk „Vermessung der Ewigkeit“ kommt er darauf zurück (S. 26): „(…) Oder Entdeckungen wie die von Erwin Schrödinger, nämlich dass das Ergebnis bestimmter subatomarer Experimente vom Bewusstsein des Beobachters abhängig ist, (…) sodass eine Kernreaktion, ausgelöst in einer Kiste, die drei Tage zuvor versiegelt wurde, nicht zum Abschluss kommt, bis die Kiste geöffnet wird und die Ergebnisse der Aktion von einem bewussten Beobachter erfasst werden.
Die Kernreaktion bleibt in einem Schwebezustand zwischen Geschehen und nicht Geschehen, bis das Bewusstsein auf den Plan tritt und sie in der Wirklichkeit zementiert.“
Sobald sich das Bewusstsein in Form eines Wissenschaftlers zur Messung entschließt, – und erst dann! – nimmt das Objekt der Forschung messbare Eigenschaften an. (Aktualität genannt) Zuvor befand es sich in einem undefinierbaren Zustand der Potentialität.
Im Allgemeinen gehen wir davon aus, dass alles, was wir wahrnehmen, auch unabhängig von dieser Wahrnehmung objektive Eigenschaften hat. Tatsächlich aber entstehen sie erst durch die Wahrnehmung.
Das Bewusstsein bestimmt offensichtlich, wie sich die Materie verhält. Das verdeutlicht auch der berüchtigte Placebo-Effekt: Wenn man einer Person unter Hypnose suggeriert, dass man sie bald mit einem heißen Gegenstand berühren werde und man berührt sie daraufhin nur mit einem gewöhnlichen Bleistift, so bilden sich trotzdem nach dem Hautkontakt an der entsprechenden Körperstelle Brandblasen.
Das Bewusstsein ist der Schöpfer, die physische Welt seine Schöpfung. Das wirkt auch gar nicht mehr abwegig, wenn man die physikalische Erkenntnis begutachtet, der zufolge Materie sich unter genauerer Betrachtung als substanzlos erweist (99,9…% Leere) und ihre Solidität offenbar nichts anderes ist als eine Sinnestäuschung.
Noch tiefer als die Erkenntnis „Bewusstsein erschafft Realität“ ist diese: Bewusstsein und Realität sind eins, und zwar insofern, als die gesamte Natur ein sichtbarer Ausdruck des im Ursprungszustand unsichtbaren Bewusstseins ist – wie auch ein Spiegel unsichtbar ist, bis sich Objekte in ihm widerspiegeln.
An dieser Stelle möchte ich, um nochmals in die Quantenphysik einzutauchen, den revolutionären Wissenschaftler Werner Heisenberg selbst zu Wort kommen lassen:
„Nach Ansicht der Gegner der Quantenphysik wäre es wünschenswert, zu der Realitätsvorstellung der klassischen Physik oder, allgemeiner gesprochen, zur Ontologie des Materialismus zurückzukehren, also zur Vorstellung einer objektiven, realen Welt, deren kleinste Teile in der gleichen Weise objektiv existieren wie Steine und Bäume, gleichgültig ob wir sie beobachten oder nicht. Dies aber ist unmöglich.“ (Bernard Haisch: Die verborgene Intelligenz im Universum; S. 183)
Bekanntlich basiert die makrophysische Ebene der von Heisenberg als Beispiel herangezogenen Steine und Bäume auf den Gesetzmäßigkeiten der mikrophysischen Ebene. Sämtliche bedeutende Vertreter der Quantenphysik – Max Planck, Werner Heisenberg, Erwin Schrödinger, Niels Bohr, Wolfgang Pauli, Pascual Jordan, Max Born – lehnten eine rein materialistische Deutung der Wirklichkeit ab und verschrieben sich teilweise ausdrücklich der Spiritualität. Max Planck betrachtete das Bewusstsein als „fundamental“ und Materie als „abgeleitet vom Bewusstsein“ und Erwin Schrödinger betonte mit Nachdruck, dass es nur ein Bewusstsein gibt, das allem zugrunde liegt und aus dem alles hervorgeht.
Ich empfinde es als überaus erstaunlich, dass selbst zahlreiche Physiker die schwerwiegenden Konsequenzen der Quantenphysik und die primäre Position des Bewusstseins innerhalb dieser immer noch nicht zur Kenntnis genommen zu haben scheinen. Der Materialismus ist schlicht und ergreifend als restlos widerlegt anzusehen.
Wenn Geist zu Materie wird
Sofern der gesunde Menschenverstand angesichts der bisherigen Ausführungen rebelliert und die Schlussfolgerung „Ich bin alles“ als realitätsfern betrachtet, möge man bedenken, dass es nicht der Besinnung auf die Quantenphysik bedarf, um zu derartigen Einsichten zu gelangen.
Es gibt ein sehr naheliegendes Beispiel, das uns im alltäglichen Dasein immer und immer wieder begegnet und ebenfalls verdeutlicht, dass das Bewusstsein Formen annimmt. Bevor Menschen ein Bauwerk errichten, ist dieses nicht mehr als ein gedankliches Konzept. Durch die darauffolgende Umsetzung der Idee wird aus einer bloßen Vorstellung sichtbare Realität. Das Familienhaus, das zuvor nur auf theoretischer Ebene in Form von Gedanken existierte, nimmt Form an und manifestiert sich nach und nach im vermeintlichen „Außen“. All das beginnt im formlosen „Inneren“ des Menschen.
Betrachten Sie, liebe/r LeserIn, eine einfache Tasse, einen Stuhl oder den Fernseher in Ihrem Wohnzimmer. Der Ursprung all dessen ist das unbegrenzte Schöpfungspotential des Bewusstseins. Menschliche Erfindungen und die faszinierende Ordnung in der Natur legen gleichermaßen die Kreativität einer Intelligenz offen, die auf tiefster Ebene der Betrachtung identisch mit dem Gewahrsein ist, welches sich jetzt dieser Zeilen gewahr ist. Das gesamte Universum ist offensichtlich von Bewusstsein durchdrungen und letztlich ein Ausdruck desselben.
„Wer Wahrheit sucht, der zähle nicht die Stimmen!“
Wir haben stets die Wahl zwischen eigener Erfahrung und Konditionierung, zwischen Praxis und Theorie. Entweder wir vertrauen unserer unmittelbaren Erfahrung oder der allgemein akzeptierten Weltsicht der westlichen Kultur, die tief in uns verankert ist.
Diese geht mit völliger Selbstverständlichkeit davon aus, dass die „Dinge“ auch dann noch vorhanden sind, wenn wir unsere Aufmerksamkeit von ihnen abziehen. Wir wurden darauf konditioniert zu glauben, dass wir äußerst beschränkte Individuen sind, die als winzige Partikel und getrennt voneinander in einer riesigen, bedrohlichen Welt existieren. Man belächelt die Äußerung der Feststellung, dass es jene Welt ohne uns überhaupt nicht gibt.
Das Hauptargument für die Entscheidung zugunsten der kulturellen Konditionierung – auch wenn unsere unmittelbare Erfahrung keineswegs damit übereinstimmt – bezieht sich meist darauf, dass die Mehrheit der Menschen einer Hypothese zustimmt und sie als absolute Wahrheit akzeptiert.
Ich möchte daran erinnern, dass vor nicht allzu langer Zeit ein gewisser Mann eine überaus einflussreiche Position übernahm, weil die Mehrheit der Wähler ihn als kompetent einschätzte, was verheerende Folgen hatte. Vor einigen Jahrhunderten war es eine allgemein anerkannte „Wahrheit“, dass die Erde eine Scheibe sei. Stets zu empfehlen:
Wer sich auf die Suche nach der Wahrheit begibt, möge sich nicht zu stark von vorgefassten Meinungen beeinflussen lassen und dargebotene Ideen einer gründlichen Überprüfung unterziehen.
Es gibt noch nicht einmal einen unerschütterlichen Beweis dafür, dass die „anderen“ Menschen, mit denen wir in unserem Leben täglich interagieren, absolut real und nicht nur bloße Einbildungen sind (womit ich dies aber nicht postulieren möchte). Einzig die allem vorausgehende Erkenntnis „Ich bin“ lässt sich nicht in Frage stellen. Das Bewusstsein selbst kann keine Einbildung sein, denn jede Einbildung findet wiederum in einem Bewusstsein statt!
Sinneswahrnehmungen sind der Prüfstein der Realität. Fühlen, Sehen etc. – dies sind die Instrumente, durch die wir das Vorhandensein der Welt bezeugen. Bekanntlich basieren sie auf der Präsenz des Bewusstseins. Ausnahmslos alles, was wir kennen, kennen wir nur durch Bewusstsein. Es ist die alleinige Substanz der Wahrnehmungsinstrumente und damit auch der Welt. Wir wissen um Letztere, weil wir sie erblicken und erfühlen können – und Sehen und Fühlen bestehen aus nichts anderem als Bewusstsein.
Sind alle Wahrnehmungen nur ein Traum?
Im Grunde sind alle Erfahrungen gleichermaßen wirklich bzw. unwirklich, was sowohl für „diesseitige“ als auch für „jenseitige“ in den Nahtoderlebnissen gilt. Ob Halluzinationen, Träume, Wahrnehmungen im „Wachzustand“ oder mystische Erfahrungen:
Das Bewusstsein allein ermöglicht sie! Es ist stets das alleinige Substrat jeder Wahrnehmung, und zwar unabhängig davon, wie faszinierend und spektakulär diese ist. Als der unkonventionelle Lehrer Tony Parsons gefragt wurde, wie es zur Wahrnehmung eines Engels während eines erweiterten Bewusstseinszustands kommen kann, wies er darauf hin, dass dies nur die Einheit (Bewusstsein) sei, die „engelt“ („Das ist es – Vom Ende der Illusion des Getrenntseins“; Tony Parsons). Damit ist natürlich gemeint, dass das Bewusstsein die Form dessen annimmt, was in ihm erscheint – in diesem Fall eben die Form eines Engels.
Selbst wenn alle Wahrnehmungen nur ein Traum sind, verweisen sie auf etwas unbestreitbar Wirkliches – das Gewahrsein, in dem der Traum erfahren wird. Der Traum ist zweitrangig, der Träumende geht ihm voraus. Die Quelle ist stets von größter Bedeutung.
Die Person transzendieren
Selbstverständlich bezieht es sich niemals auf die Persönlichkeit, wenn darauf hingewiesen wird: „Du bist alles!“ Es gibt kein persönliches Selbst und es hat nie eines gegeben.
Eine solche Radikalität schreckt selbst den Großteil der „spirituellen Menschen“ ab, weil sie ihre Individualität unter keinen Umständen verlieren möchten. Aber die Angst vor dem Verlust des individuellen „Ich“ lässt außer Acht, dass dieses nie wirklich existent war. Was nicht existiert, kann auch nicht verschwinden. Was verschwindet, ist lediglich die Täuschung, indem das Gedankengebäude zusammenbricht, welches die Grundlage der Illusion eines separaten Wesens war.
Jeder kann das anhand seiner eigenen Erfahrung überprüfen: Sobald wir aufhören zu denken, ist unsere Persönlichkeit nicht mehr aufzufinden, da sie keine von den Gedanken unabhängige Existenz besitzt. Sie basiert auf der gedanklichen Vorstellung: „Ich bin dieser Körper und habe diese und jene Eigenschaften.“ Wenn keinerlei Gedanken auftauchen, gibt es nur noch reines Bewusstsein, das sich vorübergehend in einer physischen Erscheinung zum Ausdruck bringt. Im Buddhismus ist die Substanzlosigkeit des „Ich“ ein zentrales Thema. Nach dem Studium von mittlerweile 100-150 Büchern zum Thema muss ich die Einschätzung äußern, dass kein Autor den „Ich-Verlust“, welcher die Nicht-Existenz des individuellen Selbst demonstriert, sowie die damit einhergehende, vom Verstand ausgehende Angst so zutreffend beschrieben hat wie Suzanne Segal in ihrem Buch „Kollision mit der Unendlichkeit – Ein Leben jenseits des persönlichen Selbst“.
Die persönliche Geschichte basiert auf Erinnerungen und wurzelt damit in der Vergangenheit, während wir unser wahres Selbst nur in der zeitlosen Gegenwart hervorholen können. Die Vorstellung, die Persönlichkeit zu „verlieren“, mag abschreckende Wirkung entfachen, wenn man sich mit ihr identifiziert und glaubt, dass Glück, Freude und Liebe sich auf jemanden beziehen. Alle angenehmen und unangenehmen Zustände sind jedoch schon immer völlig unpersönlich gewesen – man kann das Leid nicht verleugnen, aber zu der Erkenntnis gelangen, dass es niemanden gibt, der leidet, sondern einfach Leid, das im Gewahrsein erscheint und von diesem erfahren wird. Niemanden, der sexuell erregt ist, sondern sexuelle Erregung, die im Gewahrsein erscheint und von diesem wahrgenommen wird (um nur zwei spezifische Beispiele zu nennen). An all dem ist wahrlich nichts Persönliches.
Erfahrung ist immer einheitlich!
Die Bilder auf der Leinwand des Bewusstseins gehen harmonisch ineinander über, eine wirkliche Trennung gibt es nicht. Kein Objekt hat eine unabhängige, eigenständige Existenz und besteht für sich selbst. Genau genommen gibt es immer nur ein einziges farbenfrohes Bild! Es wird immer nur Eines erfahren, d. h. Erfahrung als solche ist unter allen Umständen stets nahtlos, ganz und einheitlich, bevor der konditionierte Verstand sie in Stücke reißt und jedes dieser Stücke mit einem Etikett versieht und selbstgeschaffenen Kategorien zuordnet.
Die Verwechslung der Interpretation der Erfahrung mit der tatsächlichen Erfahrung führt unweigerlich zu Leid.
Die Erfahrung von einem Objekt bestätigt in erster Linie die Anwesenheit des Bewusstseins. Was auch immer vom Bewusstsein erfahren wird – dadurch weiß Bewusstsein um sich selbst. Bewusstsein erfährt immer nur sich selbst. Ja, wir haben immer nur uns selbst erfahren! Alles, was wir sehen, jede erdenkliche materielle Erscheinung, beweist durch ihr Dasein nicht ihre eigene unabhängige Existenz, sondern in erster Linie die Präsenz des Bewusstseins. Somit verschleiern Objekte das Bewusstsein nicht, sie offenbaren es!
Alle Handlungen des Menschen gründen letztlich in der tiefliegenden Sehnsucht nach Einheit. Wenn klar erkannt wird, dass wir immer nur Eines erfahren und dass wir selbst diese Einheit sind, dann tritt die objektlose Freude hervor, die unter der Oberfläche als unser wahrer Wesenskern immer präsent ist und sich jeglicher Beschreibung entzieht.
Sich selbst als alles zu erkennen entfacht eine so unfassbar beglückende und friedvolle Wirkung, dass es mir – basierend auf eigener Erfahrung – am Herzen liegt, möglichst viele meiner Mitmenschen durch Beiträge wie diese darauf aufmerksam zu machen, damit auch sie bewusst am Wunder teilhaben können.
Du bist alles!
Es handelt sich nicht um eine intellektuelle Erkenntnis und es bedarf auch keiner solchen, denn auf der Ebene des Verstandes werden ohnehin immer einschränkende Zweifel verbleiben. Es ist keine Theorie, sondern ein unmittelbares Sehen: Alles, was ich wahrnehme, ist ein Ausdruck meiner selbst. Geräusche, Gerüche, visuelle Eindrücke – nur Bewusstsein, das die Form dieser Phänomene annimmt. Vogelgezwitscher – Stille (= Bewusstsein), welche die Form wunderschöner Töne angenommen hat.
Ein Vogel – Bewusstsein, das die physische Form dieser fantastischen Erscheinung angenommen hat, um sich selbst darin zu erkennen: Der Vogel ist nicht von mir verschieden! Das erkenne ich aber nur, wenn ich frei von Gedanken bin, weil alle Gedanken von der gesellschaftlichen Konditionierung belastet sind und somit an die Illusion der Dualität glauben. Wenn ich im gedankenfreien Zustand (= reines Bewusstsein) einen Wald (oder auch eine Stadt) durchschreite, eröffnet sich mir eine absolute Intimität und Vertrautheit mit ausnahmslos allem – es ist so überwältigend! Keinerlei Trennung…
Ich erkenne mich selbst in allem und jedem. Das ist Liebe. Nicht die an Bedingungen geknüpfte „Liebe“, welche Erwartungen stellt, diese erfüllt haben will und nur unter jener Voraussetzung weiterhin Zuneigung gewährt. Bedingungslose Liebe erlaubt allem zu sein, wie es ist, weil es als absolut perfekt erkannt wird, sobald die trennende Klinge der konditionierten Gedanken transzendiert wurde. Der spirituelle Lehrer Eckhart Tolle fasst das in seinem empfehlenswerten Werk „Stille spricht“ (S. 24) besonders schön in Worte:
„Wenn du still einen Baum oder Menschen anschaust, wer schaut da? Etwas Tieferes als du in Person. Das Bewusstsein selbst betrachtet seine Schöpfung. In der Bibel steht, dass Gott die Erde erschuf und sah, dass sie gut war. Genau das siehst du, wenn du in gedankenfreier Stille schaust.“
Natürlich dürfen wir nicht vergessen, dass die Leinwand und sämtliche Bilder, die auf ihr erscheinen, zwar essentiell absolut identisch sind, aber dass die Leinwand (das reine Bewusstsein) dennoch von allen Bildern unabhängig ist. Selbst wenn alle Bilder verschwinden (= wenn die „Außenwelt“ verschwindet), ist deren Quelle noch da. Der Ozean ist mehr als die Summe aller Wellen. So ist auch die Leinwand mehr als die Summe aller Bilder. Jedes Bild scheint der Leinwand etwas hinzuzufügen, weshalb der spirituelle Lehrer Jean Klein die Welt der Phänomene als Erweiterung dessen, was wir sind, bezeichnete. Doch letztlich verändert sich das Bewusstsein nie. Es bleibt so, wie es immer ist – eigenschaftslos, absolut vollkommen und ewig.
Es gibt nur EIN Bewusstsein, das sich parallel in den zahlreichen Formen zum Ausdruck bringt (womit die lineare Zeit als Illusion entlarvt wird). Nur mit dieser Erkenntnis ist jegliche Unterscheidung und Trennung wirklich konsequent und kompromisslos aufgehoben!
Wenn dieses Bewusstsein sich selbst als Essenz aller Geschehnisse erkennt, kann ihm dementsprechend kein Ereignis je wieder Angst einflößen.
Das ist der Moment, in dem Wahrnehmender und Wahrgenommenes kollabieren und nur reines Wahrnehmen übrigbleibt. Nun gibt es auch kein Innen und Außen mehr, sondern nur nicht-lokales Sein, die unendliche Weite.
Alles erscheint im Bewusstsein als Bewusstsein. Es gibt nichts außer Bewusstsein. Nichts, was ich nicht bin. Alles ist eins. Das, was sich JETZT dieser Zeilen BEWUSST ist, ist dieses undefinierbare, namen- und formlose Eine, bis in alle Ewigkeit. Bewusstsein ist alles, das bedeutet:
Ich bin alles. Und ich spreche für jeden!
29.03. 2018
Simon Bartholomé
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