FrauensolidaritÀt
Eine pensionierte Kindergartenleiterin eines öffentlichen Kindergartens schreibt in einem Kommentar auf facebook darĂŒber, wie sie die Auswirkungen des patriarchalen Systems im Rahmen ihrer TĂ€tigkeit erlebt hat. Eine Waldorf-KindergĂ€rtnerin antwortet ihr dazu, dass die Gestaltung der Gruppe in ihrer Verantwortung lĂ€ge und es âverantwortungslos und bequem sei, sich auf das System rauszuredenâ.
Eine in einem groĂen Krankenhaus tĂ€tige Hebamme schildert in einem Kommentar, dass Hausgeburtshebammen von Krankenhaushebammen belĂ€chelt wĂŒrden und Hausgeburtshebammen die Krankenhaushebammen als âentmenschlichte Roboterâ hinstellen wĂŒrden.
Eine Mutter, welche die finanziellen Möglichkeit hat, eine Weile bei ihren Kindern daheim bleiben zu können, hĂ€lt einer Mutter, die bald nach der Geburt ihres Kindes wieder arbeiten gehen muss und ihr Kind in Fremdbetreuung gibt, diesen Schritt vor. Umgekehrt blickt eine berufstĂ€tige Mutter mit GeringschĂ€tzung auf das âHeimchen am Herdâ.
Frauen sind nicht von Natur aus so. Frauen wurden durch einige Jahrtausende Patriarchat so geformt, dass sie das patriarchale Gift, welches die Beziehungen von Frauen und ihre SolidaritĂ€t verhindert und zerstört, inzwischen selbsttĂ€tig und effektiv untereinander verteilen. Von dieser emotionalen Mauer zwischen den Frauen profitiert das patriarchale System, welches nur ĂŒberleben kann, solange es gelingt, die Frauen zu spalten und zu trennen.
Frauen sollen nicht erkennen, welch eine groĂe und wichtige Bedeutung in den Beziehungen unter uns Frauen liegt. Frauen sollen aber vor allem nicht erkennen, wo die wahre Ursache fĂŒr die Konkurrenz und den Neid unter uns Frauen liegt, wer der wahre NutznieĂer der Frauenfeindlichkeit von Frauen ist. Deshalb will ich mit diesem Beitrag einen Blick hinter die patriarchalen Kulissen werfen.
Viele Frauen trĂ€umen den Traum von FrauensolidaritĂ€t und Schwesterlichkeit. Doch die gelebte RealitĂ€t sieht leider in vielen Frauenkreisen oftmals anders aus. Die real existierende, weibliche Frauenfeindlichkeit in allen Bereichen unseres Lebens muss benannt werden, damit der Blick frei wird auf Möglichkeiten, diese zu ĂŒberwinden.
Die patriarchalen Strukturen, in welchen Frauen seit Jahrtausenden zu leben haben, hatten und haben gravierende Auswirkungen auf die Psyche und Seelen von Frauen. PrioritĂ€t hat in einer patriarchalen Gesellschaft der Mann, das ist die Grundlage. Er wird als das ĂŒberlegene Geschlecht dargestellt, obwohl es die Frauen sind, welche die FĂ€higkeit in sich tragen, das neue Leben zu schenken, die Basis der gesamten Menschheit.
Damit das Patriarchat die Macht ĂŒbernehmen konnte, mussten Frauen isoliert werden, getrennt werden, sie wurden heimatlos gemacht, von ihrer Muttersippe herausgelöst und in der Sippe des Mannes wie Sklavinnen behandelt. Diese gezielte Zerstörung der weiblichen Seins-Macht hat tiefe GrĂ€ben in den Seelen der Frauen, im kollektiven Frauenfeld hinterlassen. Den eigenen, massiv erlittenen Machtverlust als selbstbestimmte, freie, eigenmĂ€chtige Frau haben die betroffenen Frauen dadurch zu kompensieren versucht, indem sie in krankhafte, psychische Muster gegangen sind. Indem sie die Schwiegertochter, die ins Haus gekommen ist, nun so behandelt haben, wie sie es zuvor selber erlebt haben. Frauen wurden dadurch zu âSoldatinnen des Patriarchatsâ abgerichtet.
Frauen lernten und lernen von klein auf, die machtlose, dem Mann und Vater ausgelieferte Mutter abzuwerten. Sie gehen auf Distanz zur Welt des Weiblichen, welche in einem patriarchalen System als Ursache fĂŒr die UnterdrĂŒckung von Frauen erlebt wird. Sie identifizieren sich mit dem âstarken Vaterâ, um nur ja nicht so schwach wie die Mutter zu werden. Auch wenn der Vater groĂteils abwesend ist, idealisieren sie ihn als âguten Vaterâ und ergreifen in spĂ€terer Folge Partei fĂŒr das MĂ€nnliche, um nicht Gefahr zu laufen, doch noch in den FuĂstapfen des Weiblichen im Patriarchat zu landen.
Dadurch ist die starke Identifizierung vieler Frauen mit dem Mann und seiner patriarchalen Welt entstanden. Aus dieser heraus wird alles als bedrohlich erlebt, was diese Strukturen in Frage stellt, an den patriarchalen Grundfesten rĂŒttelt, die Ursachen und Auswirkungen der mĂ€nnlich-patriarchalen GewalttĂ€tigkeit gegenĂŒber der Erde, der Natur und all ihren Lebewesen aufzeigt und benennt. Der Schutzinstinkt von Frauen gegenĂŒber dem Mann ist oftmals weitaus stĂ€rker ausgeprĂ€gt als gegenĂŒber anderen Frauen. Die Beziehung zu einem Mann wird um vieles höher bewertet, als die Mutter-Tochter-Beziehung, als die Freundschaft mit einer Frau. Eine Wertung, welche die meisten von uns ĂŒbernommen und verinnerlicht haben.
In der patriarchal-gesellschaftlichen Abwertung des Weiblichen sehe ich eine der Hauptursachen weiblicher Frauenfeindlichkeit. Denn damit wird es Frauen sehr schwer bis schier unmöglich gemacht, ihren eigenen Wert als Frau und Mutter erkennen zu können und somit auch den Wert anderer Frauen und MĂŒtter anzuerkennen.
In einer von MĂ€nnern definierten, dominierten und bestimmten Gesellschaft Gefahr zu laufen, die mĂ€nnliche Zuwendung und Aufmerksamkeit, die âmĂ€nnlich-vĂ€terliche Liebeâ, zu verlieren, ist fĂŒr Frauen ungemein bedrohlicher als ein möglicher Verlust der weiblich-mĂŒtterlichen Verbindungen. Deshalb neigen Frauen dazu, die Folgen mĂ€nnlicher Verletzungen an Frauen auszulassen, anstatt an den verursachenden MĂ€nnern. Die unterdrĂŒckte Wut vieler Frauen entlĂ€dt sich gegenĂŒber Frauen um vieles leichter als gegenĂŒber MĂ€nnern.
In einer Gesellschaft, in welcher der Mann im Zentrum steht, er fĂŒr soziales Ansehen und finanzielle Sicherheit der Frau und Familie steht, ist jede andere Frau eine potentielle Bedrohung, eine Rivalin um die Gunst des Mannes – die jĂŒngere Frau, die schlankere Frau, die erfolgreichere Frau. Viele Frauen sind nach wie vor dazu bereit, fĂŒr mĂ€nnlichen Beifall ziemlich viel zu tun. Seinen Schönheitsidealen entsprechen zu wollen, ihn und seine BedĂŒrfnisse und Vorstellungen zum eigenen Lebensinhalt zu machen, sich um seine Entwicklung zu sorgen, seine Karriere zu ermöglichen.
Frauen wollen vom Mann begehrt werden, sie hoffen auf seine Anerkennung, fĂŒhlen sich als Frau an der Seite eines Mannes mehr wert. In die Beziehung zu ihm wird ein HöchstmaĂ an Anpassungsbereitschaft, Lebenskraft und RĂŒcksichtnahme investiert, Frauenfreundschaften werden weit weniger gepflegt und mĂŒssen vor allem dann, wenn der ânĂ€chste Traummannâ ins Leben tritt, wieder in den Hintergrund treten. Zumindest solange, bis auch dieser schöne Liebestraum ausgetrĂ€umt ist und die âbeste Freundinâ als Seelentrösterin wieder auf den Plan gerufen wird.
Von staatlicher und kirchlicher Seite wird das âLebensmodell Eheâ propagiert, das jedoch nur solange funktioniert, solange sich der traute Ehemann keiner anderen Frau zuwendet. Sollte dies geschehen, wird meist âdie Andereâ dafĂŒr verantwortlich gemacht und nicht der betreffende Mann. Sie ist die Rivalin. Der Mann ist Dreh- und Angelpunkt der weiblichen RivalitĂ€t.
Diese RivalitĂ€t zwischen Frauen findet in der Arbeitswelt ihre Fortsetzung, ihre Ausdehnung auf die gesamtgesellschaftliche BĂŒhne. Frauen konkurrieren darin um gute ArbeitsplĂ€tze, um Aufstiegs- und Karrierechancen, denn diese stehen nicht fĂŒr alle bereit. Frauen identifizieren sich auf diesem Weg immer mehr mit dem System und immer weniger mit anderen Frauen.
Göttlich ist in patriarchalen Kulturen nur âGott der Herrâ. Nur der Glaube an ihn ist legitim. Der Glaube an eine weiblich-göttliche Welt wurde als Aberglaube verboten und unter der Beschuldigung der Ketzerei verfolgt. Von klein auf lernen MĂ€dchen in ihren Familien, in der Schule, in unserer Gesellschaft, dass das Weibliche nicht göttlich wĂ€re. Sondern Eva, die angeblich erste Frau sogar die ErbsĂŒnde ĂŒber alle Menschen gebracht hĂ€tte aufgrund ihres Handelns. Frauen sind in patriarchalen Religionen nicht göttlich, sondern SĂŒnderinnen, VerfĂŒhrerinnen, demĂŒtige MĂ€gde des Herrn.
Frauen zeigen, wie die Mehrzahl an weiblichen Teilnehmerinnen bei spirituell-esoterisch-religiösen Angeboten und Veranstaltungen beweist, ein starkes Interesse an den spirituellen Dimensionen unseres Lebens. Doch in der Religion, in welcher die meisten von uns erzogen wurden, begegnen die Frauen einem rein mÀnnlichen Gottesbild. Das verwirrt und verletzt die weibliche Seele tiefgreifend.
Frauen mussten ĂŒber Generationen die Abwertung ihres eigenen Geschlechts in kirchlich-religiösen ZusammenhĂ€ngen erleben und erdulden. Ihr ausgeschlossen sein als Priesterinnen aufgrund der angeblichen Unreinheit ihres zuvor als heilig verehrten Lebensblutes. Die Bedrohung ihrer Existenz, ihres Lebens, wenn sie ihrem alten Glauben an die Göttin nicht abschwören wollten.
All diese Erfahrungen haben PrĂ€gungen hinterlassen in uns Frauen. Sie wirken sich auf unser Verhalten aus, auf unsere Einstellungen uns selber und anderen Frauen gegenĂŒber. Die Abwertung, welche wir als Frauen im Patriarchat ĂŒber Jahrtausende erfahren haben, hat sich uns eingebrannt. So wie wir gelernt haben, uns selber abzuwerten aufgrund unseres Frausein, so werten wir auch die anderen Frauen ab.
âSolange Frauen einem Weltbild huldigen, das keinen Raum hat fĂŒr die Vorstellungen und Ideen anderer Frauen, solange sie sich nicht gegenseitig den Respekt geistiger Freiheit gewĂ€hren, solange ihnen die Anerkennung vom Mann und die UnterstĂŒtzung seiner Ideen wichtiger ist als die SolidaritĂ€t mit anderen Frauen, so lange wird Frauenfeindlichkeit unser Problem bleiben und echte SolidaritĂ€t auf sich warten lassen.âÂ
(Christa Mulack in âNatĂŒrlich weiblichâ)Â
Zur Vertiefung dieser Thematik empfehle ich die BĂŒcher von Christa Mulack, insbesondere „NatĂŒrlich weiblich – die Heimatlosigkeit der Frau im Patriarchat“
Danke dir, Renate, fĂŒr diesen Impuls …
https://wildmohnfrau.blogspot.com/2019/01/frauensolidaritat.html