Und manche Menschen sind sanft. So sanft, dass Du hingreifen möchtest, wenn Du sie sprechen hörst, dass alles in Dir sich anschmiegen möchte, wenn Du sie agieren siehst. Da scheint nicht das geringste bisschen Abwehr, Mauer da zu sein…
Andere Menschen sind rational. So rational, dass es Dich schneidet, wenn Du sie sprechen hörst, dass alles in Dir zurückweicht, wenn Du sie agieren siehst. Da scheint nicht das geringste bisschen Mitgefühl, Einfühlungsvermögen da zu sein…
Wieder andere Menschen sind geschmeidig. So geschmeidig, dass sie Dir aus den Händen zu flutschen scheinen, wenn Du sie sprechen hörst, dass alles in Dir auf Misstrauen schaltet, wenn Du sie agieren siehst. Da scheint nicht das geringste bisschen Festigkeit, Verlässlichkeit zu sein…
Dann gibt es Menschen, die sind zart. So zart, dass Du Dich kaum traust, sie zu berühren, wenn Du sie sprechen hörst, dass alles in Dir sie beschützen möchte, wenn Du sie agieren siehst. Da scheint nicht das geringste bisschen Dickhäutigkeit oder Stachel da zu sein…
Und Menschen, die sind traurig. So traurig, dass Du mitweinen möchtest, wenn Du sie sprechen hörst, dass Du sie trösten und trösten willst, wenn Du sie agieren siehst. Da scheint nicht das geringste bisschen Lebensfreude oder Zuversicht da zu sein…
Und manche Menschen sind fröhlich. So fröhlich, dass Du lachen möchtest, wenn Du sie sprechen hörst, und tanzen, wenn Du sie agieren siehst. Da scheint nicht das geringste bisschen von Trauer oder Schwere zu sein.
Wir scheinen alle sehr unterschiedlich zu sein. Niemand gleicht wirklich zur Gänze dem anderen. Und wir alle – ich eingeschlossen – neigen dazu, andere Menschen unserem Urteil zu unterwerfen. Wir mögen sie oder lehnen sie ab. Das ist unser gutes Recht. Aber wir glauben auch nur zu gerne, genau zu wissen, wie ein wertvoller Mensch auszusehen hat, und sprechen anderen, die uns im alltäglichen Leben begegnen, gerne einen Mangel an Tiefgang oder Weitsicht, emotionale Verhärtung, Blindheit oder sonst etwas zu. Aber guck doch mal genau hin:
Die Rauhen sind so rauh, weil sich das für sie als die beste Waffe herausgestellt hat, um ihre empfindsame Seele zu schützen. So greift sie niemand an…. Je rauher, desto größer der Schmerz dahinter. Auch wenn es keiner merkt.
Und die Sanften sind so sanft, weil sie im Leben gelernt haben, dass Nachgiebigkeit und Weichheit der beste Schutz vor Angriff sind. Je sanfter, desto größer der Schmerz dahinter. Auch wenn es keiner merkt.
Die Rationalen, die sind so rational, weil sie im Leben gelernt haben, ihren Intellekt als Waffe zu nutzen. So greift sie niemand an. Je intellektueller, desto größer der Schmerz dahinter. Auch wenn es keiner merkt.
Die Geschmeidigen dagegen sind so geschmeidig, weil sie im Leben gelernt haben, sich nicht festzulegen, denn ihre Positionen, Standorte und Mauern sind zu oft eingerissen worden. Je geschmeidiger, desto größer der Schmerz dahinter. Auch wenn es keiner merkt.
Die Zarten sind so zart, weil sie im Leben gelernt haben, dass Zartheit Beschützerinstinkte herausfordert und sie sich so vor Angriffen schützen können. Je zarter, desto größer der Schmerz dahinter. Auch wenn es keiner merkt.
Die Traurigen sind so traurig, weil sie im Leben gelernt haben, dass Traurigkeit Fürsorge hervorruft und sie sich so vor Angriffen schützen können. Je trauriger, desto größer der Schmerz dahinter. Auch wenn das keiner merkt. (Ich weiß, das klingt jetzt irreführend. Aber bei den Traurigen nehmen wir in der Regel nur den zur Schau gestellten Schmerz wahr. Die eigentliche Wurzel, die Verletzung, die dazu führte, dass Traurigkeit zur Waffe wurde, sehen wir in der Regel eher nicht.)
Die Fröhlichen sind so fröhlich, weil sie im Leben gelernt haben, dass Fröhlichkeit Freude hervorruft und sie sich so vor Angriffen schützen können. Je fröhlicher, desto größer der Schmerz dahinter. Auch wenn das keiner merkt.
Niemand von uns, nicht ein Einziger, geht unverletzt durch die Kindheit und durch sein Leben; nur die Bewältigungsstrategien variieren.
Und so lange, wie ich nicht tief, ganz tief in eine Seele geschaut habe, weiß ich nicht, welch‘ unauslotbare Tiefe sich dort befindet, welche Ungeheuer dort hausen und welche Schönheiten und Schätze dort zu finden sind.
Ich verbeuge mich vor dem Unbekannten
in Dir, in mir, in uns allen…
Namasté
Amari Dé
(Bild: Günter Stöhr)
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