Anja Reiche: „Die Unkenrufe der anderen“

„Du wirst schon sehen, was du davon hast.“ Diesen Satz hab ich in meinem Leben so oft gehört. Am besten noch mit dem Zusatz vorweg: „Mach doch was du willst!“Es ging immer darum, dass ich mich als Kind, als Jugendliche, als junge Erwachsene nicht an die Ratschläge und das Lebensmodell meiner Eltern und Großeltern gehalten habe. Ich hatte eine andere Meinung, eine andere Ansicht, ein anderes Gefühl. Doch ich wurde nicht bestärkt, meinen eigenen Weg zu gehen und mein eigenes Ding zu machen. Nein, ich wurde durchweg gewarnt. Mir wurden sämtliche Katastrophenszenarien aufgezählt, wie das alles sau dumm ausgehen könnte. Klar war, wenn ich auf mein Gefühl höre, wird’s blöd.

Ich hab natürlich trotzdem gemacht, was ich wollte, aber diese leise Stimme im Kopf war da: „Was, wenn sie recht haben?“

In letzter Zeit, war da diese leise Stimme immer wieder und zwar in Sachen glückliches, erfülltes Leben, Freiheit, Spiritualität, Bewusstseinsarbeit, Persönlichkeitsentwicklung.

Mein Gefühl für mich ist großartig. Ich habe eine brillante Wahrnehmung. Mein Antennen empfangen glasklar. Ich bin in Dauerkommunikation mit meiner Seele, bin absolut auf meinem Weg, fühle mich getragen und angebunden wie nie zuvor in meinem Leben.

Und dann kommen die Unkenrufe der anderen: Du musst dein Ego loswerden! Du musst dich aus der Matrix lösen, sonst kreierst du dir dein Leben lang Scheiß. Du musst deine negativen Gefühle loswerden. Du musst nur noch glücklich sein und alle anderen Gefühle sind Schwachsinn. Nur noch diese Methode ist richtig, alles andere führt zu nichts und ist völlig überholt.

Mein Gefühl sagt mir, dass das alles absoluter Nonsens ist. Ich hab mein Weltbild, das sich richtig, richtig gut anfühlt. MIR geht es gut. Mir könnte es tatsächlich nicht besser gehen und dann kommt da diese Stimme, die fragt: „Was, wenn sie recht haben?“ Was, wenn ich was falsch mache? Was, wenn ich mich geradewegs auf den Ruin zubewege, aufs Verderben überhaupt? Ohne zu wissen, wie dieses Verderben aussehen sollte.

Gestern Abend hab ich mich gefragt, was ich denn eigentlich wirklich befürchte. Mein Leben ist ja schon großartig und ich würde nichts, aber auch gar nichts verändern wollen. Ich bin rundum mega zufrieden. Was also befürchte ich?

Dann wurde mir klar, dass das nicht meine Stimme im Kopf ist, sondern die Stimme meiner Familie. Mein Papa, meine Oma. Die haben immer richtig rumgeunkt. Eben dieses „Du wirst schon sehen, was du davon hast.“ Eine pauschal ausgesprochene Drohung. Wenn ich es anders mache als sie, dann wird’s schlimm. Das war sicher. Ein guter Ausgang kam gar nicht in Frage.

Heute morgen im Bett ist dann der Groschen gefallen. Es geht hier null um mich. Es ist nicht meine Angst. Es ist nicht meine Stimme. Diese ganzen Warnungen aus der Spiri-Szene zum Beispiel sind Ausdruck der Ängste, die diejenigen haben, die sie aussprechen. Wenn mich andere vor etwas warnen, wie es damals meine Familie immer wieder getan hat, dann geht es um deren Ängste, nicht um meine. Dann geht es um deren Limitierung, nicht um meine.

ICH muss hier überhaupt nichts. Ich hab keine Angst vorm Ego. Ich hab keine Angst davor, mir Scheiß zu kreieren. Es gibt für mich nämlich keinen Scheiß. Ich hab keine Angst vor den dunklen Mächten, vor 3D, vor der Matrix, vor Ohnmacht, vor der Angst selbst. Ich bin damit sowas von klar. Die anderen haben Angst davor.

Diese Erkenntnis hat ziemlich gut getan. Sehr gut sogar. Deswegen erzähle ich euch davon. Ich könnte mir nämlich vorstellen, dass sie dem ein oder anderen auch seeeehr gut tut.

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