Fragen unserer Zeit ~ Können wir letztendlich unser kollektives Trauma heilen? Transinformation

Veröffentlicht von Antares | Okt 23, 2020 | Bewusstsein & SpiritualitÀt | 2 |

Kingsley L. Dennis, auf Waking Times, ĂŒbersetzt von Antares

„Ein bemalter Vogel aus dem Paradies im KĂ€fig“ ~Aurobindo

Warum geschehen gerade jetzt so viele Dinge in der Welt, die unserem eigenen Wohlbefinden unzutrĂ€glich sind? Es erscheint ganz offensichtlich, dass etwas grundlegend falsch daran ist, wie die Welt funktioniert – auf so viele Arten und auf so vielen Ebenen. Wir sind eine Spezies mit edlem Charakter, mit einem grossen Geist und mit einer heiligen Seele. In unseren Herzen wĂŒnschen sich die meisten Menschen nur das Beste fĂŒr alle anderen – Gerechtigkeit, MitgefĂŒhl und Gemeinschaft. Und trotzdem ist das, was wir in der Welt passieren sehen, nichts weniger als ein vollkommener Wahnsinn. Wir mĂŒssen es genau so sagen, wie es ist – wir erleben ein kollektives Trauma auf globaler Ebene.

In meinem letzten Artikel habe ich die Möglichkeit unterbreitet, dass eine Art geistige und /oder unbewusste Infektion oder Ansteckung eine Form von IrrationalitĂ€t – oder „Wahnsinn“ – hervorgerufen hat, die fĂŒr uns so normal geworden ist, dass wir ihre Gegenwart kaum noch wahrnehmen.[i] DarĂŒber hinaus hat sich diese „Gegenwart“ in verschiedene Formen der sozialen Konditionierung eingebettet (oder vielleicht sogar diese Konditionierung erzeugt), um ihre Existenz zu verschleiern. Dieser normalisierte Wahnsinn usurpiert nunmehr echte Denkmuster, mit dem Ergebnis, dass, wenn jeder die kollektive Psychose teilt, der Wahnsinn der Welt ein „normales Merkmal“ der menschlichen Zivilisation zu sein scheint. Und jene Menschen, die bezĂŒglich der IrrationalitĂ€t und des Wahnsinn „erwacht“ sind, werden als die „VerrĂŒckten“ betrachtet. Hier ist eine erhellende Geschichte:

Es gab einmal einen weisen und mĂ€chtigen König, der in einer abgelegenen Stadt eines fernen Königreichs regierte. Und der König war gefĂŒrchtet, sowohl wegen seiner Macht als auch wegen seiner Liebe zur Weisheit. Im Herzen der Stadt gab es einen Brunnen, dessen Wasser kĂŒhl und kristallklar war, und alle Einwohner tranken aus diesem Brunnen, sogar der König und seine Höflinge, denn es gab keinen anderen Brunnen in der Stadt. Eines Nachts, als alle schliefen, drang eine Hexe in die Stadt ein, goss sieben Tropfen einer fremden FlĂŒssigkeit in den Brunnen und sagte:
„Von nun an wird jeder, der dieses Wasser trinkt, verrĂŒckt werden.“
Am nĂ€chsten Morgen tranken alle Einwohner das Wasser aus dem Brunnen, mit Ausnahme des Königs und seines Kammerherrn, und sehr bald wurden alle verrĂŒckt, wie die Hexe vorausgesagt hatte. WĂ€hrend dieses Tages gingen alle Menschen durch die engen Gassen und öffentlichen PlĂ€tze und flĂŒsterten miteinander:
„Der König ist verrĂŒckt. Unser König und sein Kammerherr haben ihren Verstand verloren. NatĂŒrlich können wir nicht von einem verrĂŒckten König regiert werden. Wir mĂŒssen ihn entthronen!“
In dieser Nacht befahl der König, ihm einen goldenen Becher mit dem Wasser aus dem Brunnen zu bringen. Und als sie den Becher brachten, tranken der König und sein Oberkammerherr daraus. Bald darauf herrschte grosse Freude in dieser fernen Stadt eines fernen Königreichs, weil der König und sein Kammerherr wieder zur Vernunft gekommen waren.

‹Der König und seine Liebe zur Weisheit (aufrichtiger Geist) wurden durch die giftigen Tropfen der FlĂŒssigkeit der Hexe (Infektion / Ansteckung) verdorben, was zu einer Massenepidemie der VerrĂŒcktheit (IrrationalitĂ€t / Wahnsinn) fĂŒhrte. Dieser korrumpierte Geist, mögen wir sagen, ist jetzt die dominierende ErzĂ€hlung geworden, die das soziale Verhalten beeinflusst. Diese Krankheit der IrrationalitĂ€t ist eine Ansteckung, die sowohl den Verstand von Individuen als auch den von Gruppen infiziert sowie das gesamte Spektrum unserer Sozialsysteme durchdringt.

Der kollektive „kulturelle Verstand“ wird stĂ€ndig durch dominante soziokulturelle ErzĂ€hlungen geformt, die unsere mentalen und emotionalen Verhaltensmuster normieren. Diese Normen werden dann in kulturelle Mythen eingebaut, die dazu dienen, diese durch die Massen geglaubten Meinungen zu vermitteln und zu verstĂ€rken. Letzten Endes validieren wir unser eigenes korrumpiertes Denken durch unbewusste Affirmationen. Sobald dieser Keim der Psychose erst einmal angelegt worden ist, zielt er darauf ab, sich selbst zu propagieren und zu verstĂ€rken, um seine eigene „logische“ Existenz zu legitimieren. Wie ein mentales KrebsgeschwĂŒr schmeichelt er sich als Insider und nicht als Aussenseiter in unsere eigenen Nervenpfade ein, so dass wir seine toxische PrĂ€senz nicht mehr bemerken. Dennoch verbleibt ein nagendes GefĂŒhl, dass tief in jedem vernĂŒnftigen / empfindlichen Menschen etwas „nicht ganz richtig“ lĂ€uft.

Diese korrumpierte RealitĂ€t wird dann verinnerlicht, so dass die Menschen sich an eine Form der „neuen NormalitĂ€t“ anpassen und jeder, der dieses „Paradigma der NormalitĂ€t“ anspricht oder hinterfragt, entweder als seltsam, exzentrisch oder schlimmstenfalls als verrĂŒckter Ketzer betrachtet wird. Eine neuere Kategorie fĂŒr derartige Menschen wird nun als „Verschwörungstheoretiker“ eingestuft werden, was mit einem Schwung jeden Menschen mit Ideen oder Gedanken, die dieser ,Norm‘ widersprechen, abqualifiziert. Wobei jene Menschen, die solche Normen zu akzeptieren und zu fördern scheinen, schnell „in die Schranken gewiesen“ und von den orthodoxen, etablierten Systemen unterstĂŒtzt werden. Die Mehrheit derer, die die Krankheit der IrrationalitĂ€t unterstĂŒtzen und propagieren, sind nicht in psychiatrischer Behandlung, sondern leiten die meisten unserer sozialen, politischen und finanziellen Institutionen. Eine grosse Mehrheit der asymptomatischen, unwissenden TrĂ€ger dieser mentalen Ansteckung findet sich auch auf der Strasse, in GeschĂ€ften und ĂŒberall in der Gesellschaft. Insbesondere Positionen von grosser Macht reprĂ€sentieren diese IrrationalitĂ€t, und zwar oft wissentlich, da sie ihre eigene fortwĂ€hrende Machtstruktur unterstĂŒtzt und stĂ€rkt. Ein irrationaler Geist korrumpiert, ein irrationaler Geist in einer Machtposition jedoch korrumpiert völlig.

Der irrationale Verstand

Die Gegenwart des irrationalen Verstandes ist wie eine Krankheit der Seele, und sie manifestiert sich als eine Störung im kollektiven Unbewussten. Genau wie jeder andere Virus oder Krankheitserreger versucht er, sich selbst zu verbreiten, indem er so viele TrĂ€ger wie möglich infiziert. Diejenigen Menschen, die den irrationalen Verstand ,tragen’, sich infizieren liessen (ob wissentlich oder nicht), wirken als Sender und VerstĂ€rker fĂŒr ihn, indem sie seine Frequenz im kollektiven Bewusstsein verstĂ€rken. Eine kollektive „Besessenheit“ kann auch als eine psychische Epidemie oder eine Störung im Feld betrachtet werden. Solche Störungen können recht verschiedene Auswirkungen auf die psychische Gesundheit und das Wohlbefinden von Menschen haben. Mit der Zeit stabilisiert sich diese aus dem Lot geratene MentalitĂ€t zu einer Art von Trauma, das dann nach ausserhalb projiziert wird.

Menschen, die darunter leiden, können dies als „undefinierbares“ Trauma in sich tragen, und es ist ĂŒblich, sich dann dem Alkoholismus, hedonistischen Bestrebungen, SĂŒchten und anderen AbhĂ€ngigkeiten zuzuwenden, als eine Form der BewĂ€ltigung oder der Flucht aus den GefĂŒhlen von Langeweile, Apathie oder einfachem Weltschmerz heraus. Wenn sich jemand traumatisiert fĂŒhlt, ist er anfĂ€llig fĂŒr weitere mentale Programmierung und verschiedene Arten von Ă€usseren Beeinflussungen und Überzeugungen. Es kann auch sehr subtil sein. Unsere modernen Gesellschaften sind klammheimlich so konstruiert worden, dass sie sich diese AnfĂ€lligkeit gegenĂŒber Ă€usseren EinflĂŒssen und Überzeugungen zu nutze machen können. Der Mönch Thomas Merton sagte, moderne Gesellschaften leiden unter einer Krise der Vernunft:

„Die Probleme der Nationen sind die Probleme mental derangierter Menschen, jedoch tausendfach vergrössert, da sie die uneingeschrĂ€nkte Billigung einer schizoiden Gesellschaft, schizoider nationaler Strukturen, schizoider MilitĂ€r- und GeschĂ€ftskomplexe haben“[ii].

Wenn moderne Institutionen von einem korrumpierten und irrationalen System mentaler Denkmuster infiziert sind, wird sich, wie Merton meint, diese InstabilitĂ€t verstĂ€rken und verschlimmern. Individuelle Traumata werden institutionell sanktioniert und unterstĂŒtzt – innerhalb einer Kultur, die ihre sozialen Normen auf derartigen IrrationalitĂ€ten aufgebaut hat. Das Irrationale ist durchgebrochen und hat sich als „rationale Standardregel“ implantiert. Vielleicht ist es wenig verwunderlich, dass Menschen so anfĂ€llig fĂŒr diese mentale Korruption sind, wenn es darum geht, uns im Schafspelz zu kleiden. Wie es immer so der Fall ist, diejenigen Menschen sind am anfĂ€lligsten, die am tiefsten bezĂŒglich AutoritĂ€t und / oder PassivitĂ€t konditioniert sind. Diese Eigenschaft wird leider durch unsere Schulpflicht eingepflanzt.

Ebenso gehören Menschen, die sich leicht von Ă€usseren Meinungen beeinflussen lassen und zum Gruppendenken tendieren, zu den ersten, die ihre mentale UnabhĂ€ngigkeit an Ă€ussere Quellen abgeben. Der irrationale Verstand macht Jagd auf solche „gruppendenkenden“ Individuen, so wie der „Massenverstand“ der Menschheit bei der Übertragung und Verbreitung des psychischen Traumas hilft. Wie der berĂŒhmte Psychiater R.D. Laing einmal sagte: „Der Zustand der Entfremdung, des schlafend Seins, des Unbewusst-Seins, der Geisteskrankheit ist der Zustand des normalen Menschen 
 normale Menschen haben in den letzten fĂŒnfzig Jahren vielleicht 100.000.000 ihrer normalen Mitmenschen getötet“[iii] Bewusstes Gewahrsein ist vielleicht unser grösstes Antidot (Gegenmittel) fĂŒr den irrationalen Verstand.

Wenn wir hier eine breitere Perspektive erhalten wollen, dann ist es von Bedeutung, wichtige Ereignisse, menschliche Handlungen, Propaganda, soziale Unruhen, MachtkĂ€mpfe und den all den Rest vom Standpunkt des kollektiven Traumas des irrationalen Verstandes aus zu betrachten. Die modernen menschlichen Denkmuster sind um Wesenseigenschaften wie Gier, Konkurrenz, Ehrgeiz, Materialismus und Selbstsucht herum konditioniert worden. All diese Merkmale weisen einen Mangel an AuthentizitĂ€t auf. Der irrationale Verstand versucht, einen höheren Grad an Nicht-AuthentizitĂ€t und einen Mangel an EinfĂŒhlungsvermögen innerhalb des Individuums zu entwickeln. Die WeltbĂŒhne ist mit derartigen Persönlichkeiten ĂŒbersĂ€t.

Das Risiko des irrationalen Verstandes besteht darin, dass Widerstand ebenso zu seiner Verbreitung beitragen kann. Das bedeutet, Menschen, die beginnen, sich gegen diese verdorbene Denkweise zu wehren, eignen sich oft deren Werte an, um zu ĂŒberleben. Es ist dieses „Wenn du sie nicht schlagen kannst, schliesse dich ihnen an“ – Denken. Es scheint, die Menschheit kĂ€mpfe kollektiv darum, bezĂŒglich ihres gesamten eigenen Zustandes des traumatischen Schlafes zu erwachen.

Unter dem irrationalen Bann

Es ist oft gesagt worden – von Mystikern, Weisen und Weisheitstraditionen – dass die Menschheit kollektiv schlĂ€ft. Die Unwissenheit, die wir ĂŒber diesen Zustand haben, und das Fehlen tatsĂ€chlichen Wissens darĂŒber, deutet an, dass wir schlafen. Je mehr wir diesen irrationalen Verstand in unseren Gesellschaften und Kulturen ausbrĂŒten, desto mehr Menschen werden sich wie Automaten verhalten und leben. Wir werden in einem engeren Bereich von konditionierten Stimuli leben, die spezifische Meinungen und Denkmuster programmieren, die die Kontrolle des Irrationalen ĂŒber uns bestĂ€tigen. Eine Person, die mehr auf Gehorsam konditioniert ist, ist anfĂ€lliger fĂŒr Unterwerfung und externe Kontrolle. Dies könnte wahrhaftig der Grund dafĂŒr sein, dass unsere AutoritĂ€tssysteme starre Ordnungen der Kontrolle und des Gehorsams einfĂŒhren, z.B. wenn wir reisen, FlughĂ€fen passieren, nachverfolgt werden usw. Dies kann mit einer Vorbereitung auf automatisiertes Verhalten als Voraussetzung fĂŒr einen automatisierten Verstand verglichen werden. Der Denker George Gurdjieff schrieb:

„Die zeitgenössische Kultur erfordert Automaten. Und die Menschen verlieren unzweifelhaft ihre erworbenen Gewohnheiten der UnabhĂ€ngigkeit und verwandeln sich in Automaten, in Teile von Maschinen 
 Der Mensch wird zum willigen Sklaven. Er braucht keinerlei Ketten mehr. Er beginnt, seine Sklaverei liebzugewinnen, stolz auf sie zu sein. Und das ist die allerschrecklichste Sache, die einem Menschen passieren kann“[iv].

‹Indem wir die MentalitĂ€t des irrationalen Verstandes ĂŒbernehmen, beteiligen wir uns an unserer eigenen UnterdrĂŒckung und fördern das Verhalten eines Automaten. Wir mĂŒssen erkennen, dass viele unserer etablierten Sozialsysteme so errichtet worden sind, dass sie die Konsensmeinung bestĂ€tigen und verstĂ€rken. Unser echtes Erwachen bezĂŒglich dieses Traumas kann nicht von irgendeiner „Massenbewegung“ generiert sein, sondern nur von den Menschen, die unabhĂ€ngig denken und handeln können.

Der erste Schritt, den wir tun können, besteht darin, die Möglichkeit zu akzeptieren, dass die irrationale Verstandesansteckung existiert. Der gnostische Text Das Evangelium des Philippus sagt: „Solange die Wurzel des Frevels verborgen ist, ist sie stark. Doch wenn sie erkannt wird, wird sie aufgelöst. Wenn sie offenbart wird, geht sie zugrunde 
“ Die Gefahr liegt in unserer Zerstreuung – in unserer Unwissenheit. Jetzt ist es notwendig, den irrationalen Verstand als das zu sehen, was er ist – das Erkennen und das Anerkennen sind die SchlĂŒssel. Wenn wir nicht in der Lage sind, Harmonie und gesunden Menschenverstand in die Welt um uns herum einzubringen, dann sollten wir sie zumindest in uns selbst bringen. Es ist jetzt an der Zeit, aus diesem verfluchten Schlummer zu erwachen und endlich unser individuelles und kollektives Trauma zu heilen.

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Quellen aus dem Originaltext

[i] See Healing the Wounded Mind: The Psychosis of the Modern World and the Search for the Self.

[ii] Cited in Levy, Paul. 2013. Dispelling Wetiko: Breaking the Curse of Evil. Berkeley, CA: North Atlantic Books, p47

[iii] Cited in Levy, Paul. 2013. Dispelling Wetiko: Breaking the Curse of Evil. Berkeley, CA: North Atlantic Books, xvii

[iv] Ouspensky, PD. 1950. In Search of the Miraculous: Fragments of an Unknown Teaching. London: Routledge & Kegan Paul, p316

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