28. März 2013 Beliebte Artikel, Zusammenleben70 Kommentare
Der Transhumanismus glaubt, dass die nächste Evolutionsstufe der Menschheit die Verschmelzung des Menschen mit Technologie ist. Eine neue Rasse von Cyborgs soll den Homo sapiens ablösen und das Leben im Universum auf eine neue Stufe heben. Was klingt wie Science-Fiction, ist vielleicht eine ernst zu nehmende Bedrohung für die nahe Zukunft und wird schon bald das Leben jedes einzelnen Menschen beeinflussen.
Transhumanismus – Die Zukunft gehört den Maschinen
In weniger als 50 Jahren wird der Mensch mit den Maschinen verschmelzen und seine biologische Hülle für immer abwerfen. Es ist die Befreiung von den Grenzen des Fleisches, von den Qualen, Mängeln und Begrenzungen eines biologischen Körpers: Tod, Krankheit, Makel – all das wird bald Vergangenheit sein. Wir werden sein wie Götter. Allmächtig, unsterblich und unbegrenzt. Nun ja, zumindest eine kleine Elite von uns: Eine selbstgeschaffene Rasse, welche künftig die Vorherrschaft über diesen Planeten übernehmen wird, während der erbärmliche Homo sapiens langsam aus der Geschichte des Universums getilgt wird.
Das zumindest ist der Glaube der sogenannten Transhumanisten. Es klingt nicht bloß wie eine Religion, es ist eine. Es ist die kompromisslose Religion des Materialismus, der ultimative Triumph des Menschen über die Natur. Nicht Spiritualität soll den Menschen erlösen, sondern Technologie. Nicht dem Mensch gehört die Zukunft, sondern den Gott-Maschinen.
Die technologische Singularität
Die technologische Singularität ist im Glauben der Transhumanisten der Zeitpunkt, an dem Maschinen so intelligent werden wie Menschen und beide zu einer neuen Spezies verschmelzen. Das gesamte Wissen der Menschheit, insbesondere Gentechnik, Nanotechnologie, Neurologie und Kybernetik wird sich im Punkt der Singularität zur Geburt der neuen Über-Spezies vereinen:
„Die Singularität ist eine Zukunft, in der das Tempo des technologischen Wandels so schnell und weitreichend voranschreitet, dass die menschliche Existenz auf diesem Planeten irreversibel verändert wird. Wir werden die Macht unserer Gehirne, all die Kenntnisse, Fähigkeiten und persönlichen Macken, die uns zu Menschen machen mit unserer Computer-Macht kombinieren, um auf eine Art zu denken, zu kommunizieren und zu erschaffen, wie wir uns heute noch nicht vorstellen können.
Diese Verschmelzung von Mensch und Maschine, mit der plötzlichen Explosion der Maschinen-Intelligenz wird, im Verbund mit rasend schneller Innovation in den Bereichen der Gen-Forschung sowie der Nanotechnologie, zu einer Welt führen, wo es keine Unterscheidung mehr zwischen dem biologischen und dem mechanischen Leben oder zwischen physischer und virtueller Realität gibt. Diese technologischen Revolutionen werden es uns ermöglichen, unsere gebrechlichen Körper mit all ihren Einschränkungen zu überwinden. Krankheit, wie wir sie kennen, wird ausgerottet. Die menschliche Existenz wird einen Quantensprung in der Evolution durchlaufen. Wir werden in der Lage sein, zu leben solange wir wollen.“ erklärt Ray Kurzweil, einer der Vordenker der Transhumanisten.
Transhumanismus – die Religion der Elite
Was man zunächst kaum ernst nehmen kann, halten nicht wenige für eine der größten Gefahren unserer Zeit. Denn es sind nicht bloß ein paar Science-Fiction-Spinner, die diese neue Religion vorantreiben, es sind vor allem Angehörige der internationalen Eliten. Die Transhumanisten sitzen in den größten Firmen der Welt, wie Google, Microsoft, Apple und Nokia, sie leiten die Forschung an den größten Unis, sie machen Politik, sie haben Geld. Es sind die Reichen, Mächtigen und Schlauen, die dem Heilsversprechen des Transhumanismus auf den Leim gehen – in der Hoffnung auf Unsterblichkeit und Allmacht.
Während also allenthalben die dubiosesten Verschwörungstheorien fabuliert werden, liegt diese Verschwörung völlig offen zutage. Die Ziele der Bewegung sind ebenso wenig geheim, wie ihre Anhänger oder ihre Strategie. Unter den informierten Intellektuellen der Welt herrscht längst größte Sorge über den unaufhaltsam scheinenden Siegeszug der Transhumanisten. In Konferenzen, Uni-Seminaren und Feuilletons rund um den Globus werden die Gefahren der Bewegung diskutiert. Die breite Öffentlichkeit nimmt dies kaum wahr – zu phantastisch, zu abgehoben klingen die Ziele. Dabei hat es längst begonnen. Und selbst die erbittertsten Gegner halten die Bewegung mittlerweile für „nicht mehr aufzuhalten“.
„Die Frage, welche Spezies diesen Planeten dominiert, wird die globale Politik in diesem Jahrhundert diktieren. Angesichts der Geschwindigkeit, mit der sich jene Technologien entwickeln, welche die Entstehung von „Artilects“ – künstlichen Intelligenzen – möglich machen, ist es wahrscheinlich, dass die Menschheit in der Lage sein wird, Artilects zu konstruieren, die geistige Fähigkeiten besitzen, welche buchstäblich Billionen über Billionen mal über dem menschlichen Niveau liegen. Die Menschheit wird sich dann entscheiden müssen, ob sie die Nr. 2 Spezies auf dem Planeten werden möchte oder nicht“, schreibt Hugo de Garis im Forbes Magazine – einem angesehenen amerikanischen Wirtschaftsblatt.
Die Singularity University – so etwas wie das ideologische Hauptquartier der heterogenen Bewegung – liegt im Silicon Valley direkt zwischen Google und der Nasa. Das spiegelt in etwa wieder, wo die Bewegung gesellschaftlich steht. Die Transhumanisten reiten auf der Welle des unerschütterten Glaubens an Fortschritt und Technologie. Geschickt bringen sie ihre Forschungsprojekte auf die Agenda von Universitäten und Konzernen, längst forscht man weltweit im Auftrag der Transhumanisten. Und jedes Jahr rückt die Bewegung ihren Zielen näher. Jetzt sind wir schon so nah, wie die meisten Menschen kaum ahnen würden.
Transhumanismus, die logische Fortführung der Evolution
Im Weltbild der Transhumanisten ist der Schritt vom Menschen zur künstlichen Intelligenz nichts weiter als die logische Fortführung der Evolution. Eine Seele gibt es für die Transhumanisten nicht, nur Nervensignale und Gene. Einen Gott auch nicht – zumindest noch nicht! wie Ray Kurzweil gern zu sagen pflegt.
Evolution ist für die Transhumanisten nicht die Evolution von Leben oder Bewusstsein, sondern von Information und ihrer Verarbeitung. Die Information hat sich von Atomen über DNA, zu Memen in Computern weiterentwickelt. Der Mensch sei nur eine organische Maschine, ein Vehikel für Information. Und nun sei der Zeitpunkt gekommen, an dem die Information ein besseres Vehikel findet: den Cyborg. Nachdem die Materie in Form des Menschen intelligent geworden ist, soll nun eine neue Form von Intelligenz und Bewusstsein entstehen, die künstliche Intelligenz, hervorgebracht durch den Menschen, der mit dieser neuen Form zu einem neuen Wesen verschmelzen wird. Technologie wird lernen, die Mechanismen der Natur zu verwenden, aber unendlich effizienter, schneller, und ohne die schwächliche Zerbrechlichkeit organischer Lebewesen.
Der Mensch, so glaubt der Transhumanismus, ist die erste Spezies, welche die Evolution der eigenen Spezies selbst in die Hand nimmt und steuert – und damit millionenfach beschleunigt.
Der Siegeszug der Technik
Derzeit verdoppelt sich die Rechenleistung von Computern alle 18 Monate. In etwa 6 Jahren werden Computer dem menschlichen Gehirn an Rechenpower weit überlegen sein. Im Jahre 2050 wird man ein Gerät, das die Rechenpower aller menschlichen Gehirne übertrifft für den Preis einer Waschmaschine erwerben können, macht Kurzweil die Entwicklung plastisch. Allein das alarmiert weltweit die Wissenschaft: Die Gefahren sind groß. Denn Roboter und Computer übernehmen immer größere Bereiche unseres Lebens. Ob in der Fertigung, im Operationssaal oder beim Militär, Roboter sind allgegenwärtig. Wie viel Macht dürfen Computer haben? Wie soll man mit dem Aufkommen von künstlicher Intelligenz umgehen? Welche Rechte haben intelligente Computer? Weltweit gibt es hochkarätige Konferenzen zu diesen Themen – denn all diese Fragen werden vielleicht schon in wenigen Jahren aktuell.
Dabei geht es nicht nur um den Transhumanismus: Wenn man liest, dass die Lichtsteuerung des Flughafens Berlin-Brandenburg seit Monaten „außer Kontrolle ist“ und sich nicht mehr abschalten lässt – was bedeutet das dann zum Beispiel für das Militär, dass immer mehr auf Roboter, Drohnen und computergesteuerte Waffensysteme setzt? Technik muss ja nicht erst „intelligent“ werden, um zu revoltieren, sie kann auch einfach defekt sein und falsche Berechnungen anstellen. Die Risiken „intelligenter“ Systeme – besonders beim Militär – wird auch in Regierungskreisen kritisch diskutiert.
Der Plan der Transhumanisten
Aber für die Transhumanisten ist das alles nur Vorgeplänkel. Kybernetik, Neurologie, Robotik, Nanotechnologie, Gentechnik – es ist die Fusion all dieser Strömungen zu einem übergeordneten Ziel, die den Plan der Transhumanisten wahrwerden lassen soll. Die Entwicklung ist aus Sicht des Transhumanismus in vier groben Schritten zu denken:
- Technologie wird zum alltäglichen menschlichen Begleiter. Nach Computern und Smartphones werden Hausroboter zur Normalität. Die Technologie rückt immer näher an den Menschen heran, intelligente Maschinen und die Kommunikation mit Robotern und künstlicher Intelligenz (z.B. Kundenberatung) immer normaler.
- Dann wird der Mensch beginnen, Technologie direkt in seinen Körper einzubauen und Schnittstellen zwischen dem Gehirn und Computern zu schaffen. Dies wird seine Fähigkeiten drastisch erweitern. Zwei Rassen werden auf der Erde existieren: Solche Menschen, die Zugang zu der neuen Technologie haben und sich damit zum Mensch 2.0 updaten, und der Homo sapiens, welcher der neuen Rasse hoffnungslos unterlegen sein wird. Der Cyberspace und die Realität verwischen, da die Computer-Gehirn-Schnittstelle Reize simuliert als würden sie tatsächlich erlebt.
- Der neue Mensch 2.0 besteht irgendwann zu gleichen Teilen aus organischen und technischen Elementen. Das Leben des Menschen wird drastisch verlängert. Seine Fähigkeiten steigern sich ins unermessliche. Zuletzt wird es möglich, ein organisches Gehirn in einen Cyborg zu verpflanzen, wodurch der Mensch nach dem Glauben der Transhumanisten den Körper wechseln kann und damit unsterblich wird.
- Dann gelingt es, eine künstliche 1:1-Kopie eines menschlichen Gehirns zu erzeugen. Es wird möglich, den gesamten Inhalt des Gehirns und seine Struktur in einen Computer zu downloaden. Menschen leben das als intelligente Software im Cyberspace oder einem Cyborg-Avatar ihrer Wahl. Der Mensch kann beliebig die Körper wechseln. Es gibt keinen Unterschied mehr zwischen Realität und Cyberspace. Der Mensch kann mit seinem Bewusstsein in den Cyberspace reisen und dort Welten erschaffen und beherrschen. Der Mensch hört auf zu existieren, Evolution geschieht durch gezielte Schöpfung neuer Intelligenzen.
(Einzelheiten der Ziel sind dem Aufsatz: „Reinventing Humanity – The future of Machine-Human Intelligence“ oder auch der Web-Seite 2045.com zu entnehmen, welche die Ziele der Transhumanisten in Russland vertritt.)
Exponentielle Beschleunigung
Wie kommt es, dass kaum jemand diesen Plan ernstnimmt, während uns vielleicht gerade mal 20 Jahre von seiner Umsetzung trennen? Ray Kurzweil erklärt es: Es liegt daran, das kaum jemand versteht, was exponentielles Wachstum bedeutet.
„Wie ist es möglich, das wir so nah vor diesem enormen Wandel stehen und ihn nicht sehen können? Die Antwort ist die Beschleunigung der technologischen Innovation. Wenn sie in die Zukunft denken, berücksichtigen nur wenige Menschen die Tatsache, dass der menschliche wissenschaftliche Fortschritt exponentiell verläuft.
In anderen Worten, das 20. Jahrhundert hat sich allmählich beschleunigt bis zum heutigen Tempo des Fortschritts, die gesamten Leistungen des letzten Jahrhunderts entsprechen nur etwa 20 Jahren Fortschritt in der Geschwindigkeit vom Jahr 2000. Nun machen nochmal „20 Jahre“ dieses Fortschritts in nur noch 14 Jahren (bis 2014), und dann das gleiche wieder in nur sieben Jahren. Wir im 21. Jahrhundert nicht 100 Jahre technologischen Fortschritts erleben, wir werden 20.000 Jahre des Fortschritt bezeugen (am heutigen Fortschritt gemessen), oder Fortschritt, der etwa 1000 mal größer ist als das, was das gesamte zwanzigste Jahrhunderts erreicht hat.“
Dabei ist anzumerken, dass das 20. Jahrhundert uns von Pferdewagen zu Magnetschwebebahnen und von Dampfmaschinen zu Smartphones gebracht hat – eine unvorstellbare Entwicklung. Das was nun kommt, wird 1000 Mal schneller sein. Ab einem bestimmten Punkt wird der Fortschritt so schnell sein, dass das menschliche Gehirn ihn nicht mehr begreifen kann. Nur die optimierten Menschen werden mit diesem Tempo noch schritthalten können.
Forschen für die Maschinen-Götter
Forschungsmittel für diesen grotesken Plan lassen sich leicht besorgen. Gerade erst hat die EU den größten jemals für ein Forschungsprojekt verteilten EU-Etat von einer Milliarde an Steuergeldern in das transhumanistische „Human Brain Project“ gesteckt – einer der wichtigsten Bausteine: die Simulation eines kompletten menschlichen Gehirns als Computerschaltkreis durch die Nachbildung der neuronalen Struktur des menschlichen Gehirns. In etwa 10 bis 20 Jahren soll das menschliche Gehirn fertig sein. Die Rechenpower von Computern hat die des Gehirns bis dahin vielleicht bereits um das millionenfache überflügelt.
Die Robotik, insbesondere die Prothetik soll herausfinden, wie man Maschinen direkt an Nerven anschließen kann, um den Menschen mit künstlichen Gliedmaßen und Sinnesorganen zu erweitern. Forschungsgelder gibt es dafür von Medizin und vom Militär in Milliardenhöhe. Die Technik ist bereits so gut wie ausgereift.
Die Entwicklung von Haushalts-Robotern schreitet ebenfalls schnel voran. Schon bals sollen sie in Altenheimen, als Haushalts-Hilfe und als Spielkameraden für Kinder zum Einsatz kommen. IBM hat prognostiziert, dass solche Roboter in bereits fünf Jahren fühlen, sehen, hören, schmecken und riechen können.
Andere Bereiche der Robotik befassen sich mit Bio-Hybrid-Systemen. Hier werden Zellen mit elektronischen Schaltkreisen verbunden – der erste Schritt zum halblebendigen Cyborg-Roboter.
Die Neurologie soll helfen, das Gehirn zu verstehen und ein Gehirn-Computer-Interface zu bauen. Ein solches gibt es bereits, es wurde an Tieren erfolgreich getestet und wird nun erstmals in Menschen verpflanzt.
Die Nanotechnologie macht immer kleinere Schaltkreise möglich – und Roboter, die so klein sind, dass sie in der menschlichen Blutbahn leben können. Ray Kurzweil fasst die Entwicklung wie folgt zusammen:
„Die Revolution der Nanotechnologie wird uns ermöglichen, unseren Körper und unsere Gehirne Molekül für Molekül neu zu gestalten – weit über die Grenzen der Biologie hinaus. Der Einsatz von künstlicher Intelligenz innerhalb unseres biologischen Systems wird für die Menschheit einen evolutionären Sprung nach vorne markieren, aber es bedeutet auch, dass wir mehr „Maschine“ sein werden als „Mensch“. Milliarden von Nanobots werden durch die Blutbahnen in Körper und Gehirn reisen. Sie werden Krankheitserreger zerstören, DNA-Fehler korrigieren, Giftstoffe beseitigen, und viele andere Aufgaben erfüllen, die unsere körperliches Wohlbefinden steigern. Als Ergebnis werden wir in der Lage sein, auf unbestimmte Zeit zu leben, ohne zu altern.
Trotz des wunderbaren Zukunftspotenzials der Medizin wird Unsterblichkeit nur erreicht werden, wenn wir unsere biologischen Körper vollkommen ablegen. Während wir uns in Richtung einer Software-basierten Existenz bewegen werden, gewinnen wir die Fähigkeit „Backups“ von uns anzulegen (Speicherung der Muster unseres Wissen, unserer Fähigkeiten und Persönlichkeit in einer digitalen Form) wodurch wir virtuelle Unsterblichkeit erlangen. Dank Nanotechnologie werden wir einen Körper haben, den wir allein durch unseren Willen nicht nur verändern, sondern in völlig neue Formen verwandeln können. Wir werden um 2020 in der Lage sein unsere Körper in full-immersion Virtual-Reality-Umgebungen so zu verändern und etwa um 2040 auch in der physischen Realität.“
Bislang läuft alles wie am Schnürchen.
„Die Konsumenten werden um den Chip betteln“
Einer der wichtigen Bausteine ist auch die Entertainment-Elektronik. Durch eine langsame Gewöhnung der Menschen an Technologie soll die Akzeptanz in der Bevölkerung gesteigert und auch konservative Zweifler auf Linie gebracht werden. Entertainment-Anwendungen bringen nicht nur Milliarden für die weitere Entwicklung, sondern sind auch hervorragende Tests für viele neue Technologien.
Die Smartphones waren der erste Schritt in dieser Entwicklung. Nun wird die Augmented Reality folgen: Geräte, welche die Technologie noch näher an den Körper bringen und die Grenze zwischen Technik und Mensch langsam verwischen. Googles Glases oder diverse Startups mit Augmented-Reality-Kontaktlinsen sind solche Technologien, welche zum Beispiel das natürliche Sichtfeld des Menschen, mit digitalen Anzeigen überlagern. Der Computerbildschirm ist dann kein Ding mehr, sondern integraler Bestandteil unserer Wahrnehmung.
Der nächste Schritt sind dann die Implantate. Noch scheint kaum vorstellbar, dass in naher Zukunft – und wir reden von vielleicht 5 Jahren – Menschen es zulassen werden, das Computerteile in ihre Körper transplantiert werden. In der hervorragenden Arte-Dokumentation „Welt ohne Menschen – Transhumanismus: Chance oder Albtraum?“ kann ein transhumanistischer Vordenker darüber nur lachen: Die Menschen würden wie für das I-Phone und die Playstation vor den Läden kampieren und darum betteln, ein Implantat zu bekommen, sagt er voraus. Denn die ersten Konsumenten-Implantate werden Entertainment-Implantate sein. Und Menschen sind verrückt nach solchem Zeug.
Von da bis zur Computer-Hirn-Schnittstelle ist es dann nicht mehr weit. Und spätestens damit ist der Bann gebrochen.
Der Krieg der Spezies
Unvermeidbare Folge einer solchen Entwicklung wäre, dass die Menschheit sich schon bald in zwei oder mehr Spezies aufteilen wird: Die normalen Menschen und die Menschen 2.0. Es wird vor allem die Elite sein, die über den Zugang zu den neuen Technologien verfügt und durch diese technischen Erweiterungen den gewöhnlichen Menschen in Intelligenz, Sinnesorganen, Körperkraft, Lebensdauer und Macht um ein Vielfaches überlegen sein werden. Eine Herrenrasse ist geboren – und eine Abfall-Rasse, die in der Gesellschaft keine signifikante Rolle mehr spielen wird und nur noch für niedere Arbeiten zu gebrauchen ist.
Hugo de Garis postuliert in seinem bereits zitierten Aufsatz „The Coming Artilect War“, dass sich die Menschheit schon vor dieser Entwicklung auch ideologisch in drei Gruppen zerteilen wird: Die Cosmisten wollen Maschinen-Götter erschaffen, die Terraner kämpfen für eine Erhaltung der Natürlichkeit und des Homo Sapiens und als dritte Gruppe sieht er die Cyborgisten/Transhumanisten, die hoffen, sich selbst in Gott-Maschinen zu verwandeln. Sein Szenario für die nahe Zukunft ist nicht rosig:
„Stellen Sie sich eine Welt vor, in der die Cyborgs sich zunehmend verbreiten. Eine junge Mutter, die gerade entbunden hat, kann nun wählen, dem neugeboren Baby-Gehirn ein Körnchen artilectischen Salzes hinzuzufügen – die Umwandlung in einen Artilect (Artifical Intellect). Es steckt so viel Rechenleistung in diesem Sandkorn, dass sie ihr Baby effektiv „getötet“ hat. Es ist nun kein Mensch mehr, sondern ein Artilect in menschlicher Verkleidung. Stellen Sie sich vor, wie ältere Eltern beobachten müssen, wie ihre erwachsenen Kinder sich in Cyborgs verwandeln, so sehr dass ihre Kinder nicht mehr menschlich sind. Die Eltern werden fühlen, sie hätten ihre Kinder verloren. Der Aufstieg der Artilects und der Cyborgs wird zutiefst verstörend auf die menschliche Kultur wirken, und tiefe Entfremdung und Hass hervorrufen.
Kurzweil behauptet, dass, wenn überhaupt ein Krieg zwischen den Terranern und den anderen Gruppen stattfindet, dann wäre es eine schnelle ungleiche Schlacht. Die weitaus überlegene Intelligenz der Artilecten würde die Terraner schnell besiegen.“
Das ist sicher eine drastische und ziemlich futuristische Sichtweise, aber nicht wenige Menschen teilen im Kern ähnliche Befürchtungen. Das Zeitfenster für den Menschen, diese Entwicklung zu stoppen ist nicht groß. William Joy, Mitgründer von Sun Microsystems und Gegner des Transhumanismus schreibt in seinem Aufsatz “Why The Future Doesn’t Need Us„:
„Seit ich in die Entwicklung neuer Technologien involviert bin, hat ihre ethische Dimension mich besorgt, aber es war erst im Herbst des Jahres 1998, dass mir schreckhaft bewusst wurde, wie groß sind die Gefahren sind, vor denen wir im 21. Jahrhundert stehen. […] Gewöhnt an das Leben mit fast routinemäßigen wissenschaftlichen Durchbrüchen haben wir noch nicht begriffen, dass die größten Technologien des 21. Jahrhunderts – Robotik, Gentechnik und Nanotechnologie – eine andere Bedrohung darstellen als die Technologien, die vor ihnen kamen. Insbesondere Roboter, gentechnische Organismen und Nanobots haben einen gefährlichen Verstärkungsfaktor: Sie können sich selbst replizieren..
Die Unfähigkeit die Folgen unserer Erfindungen zu verstehen, während wir noch in der Entrückung von Entdeckung und Innovation schwelgen, scheint ein häufiger Fehler von Wissenschaftlern und Technologen zu sein […] Wir werden in dieses neue Jahrhundert geschleudert ohne Plan, ohne Kontrolle und ohne Bremsen. Sind wir schon zu weit gegangen, um den Kurs noch zu ändern? Ich glaube nicht, aber wir versuchen es ja auch gar nicht – noch nicht – und die letzte Chance, um die Kontrolle wieder zu erlangen, nähert sich sehr schnell.“
Die Metaphysik des Transhumanismus
Dass es sich beim Transhumanismus, nicht um reine Wissenschaft, sondern um eine fanatische Religion handelt, ist kaum zu übersehen. Es geht um die Entstehung eines Volkes von auserwählten Gott-Menschen, die in den Cyber-Himmel aufsteigen, wo sie als allmächtige und unsterbliche Götter leben, Universen erschaffen, sich mühelos durch Raum und Zeit bewegen und weder natürlichen noch ewigen Gesetzen unterworfen sind. Karma, Wiedergeburt, Sünde und Ethik gelten für diese Wesen nicht mehr, sie haben sich abgekoppelt.
Es ist der Triumph der Materie über Gott, der luziferianische Weg zur Erleuchtung, Beweis für die Allmacht des menschlichen Egos, das sich Gott ebenbürtig macht. Es ist die Verkehrung aller spirituellen Verheißungen in den pursten Materialismus. Das Fleisch ist überwunden, das ewige Leben erreicht, der Geist befreit – als Programm in einer Maschine.
Das Transhumanismus ist die materialistisch-mechanistische Antithese zur traditionellen Spiritualität, mit all ihren Komponenten. Zum Beispiel glaubt Kurzweil, dass durch die Verschmelzung von Mensch und Maschine, letztlich die ganze Materie des Universums zu Bewusstsein erwachen wird. „Das Erwachen des Universums“ nennt er diese Phase seiner Evolutionstheorie, in welcher „[…] Die Muster von Energie und Materie im Universum durchdrungen werden von intelligenten Prozessen und Wissen.“ Der Mensch trage durch seine Verwandlung zum Cyborg das Bewusstsein in die Materie hinein und erwecke damit das ganze Universum. Er wird durch diesen Schritt nicht nur gottgleich, sondern auch zum Erlöser der gesamten Schöpfung.
Auch wenn sich diese Metaphysik auf den ersten Blick hinter rationaler Argumentation und Wissenschaftlichkeit verbirgt, gibt sie doch reichlich Stoff zu philosophischer Kontemplation.
Der Irrtum der Transhumanisten
Dass der Mensch sich mithilfe technischer Updates, Gentechnik und anderer Techniken selbst in eine neue Spezies verwandeln wird, das steht wohl nicht mehr in Frage. In wenigen Jahren, wohl kaum mehr als 10, werden wahrscheinlich zwei Spezies auf diesem Planeten wohnen.
Die offene Frage freilich bleibt, ob es wirkliche künstliche Intelligenz jemals geben kann. Was passiert, wenn man ein künstliches Gehirn einschaltet, das weiß niemand. Kurzweil glaubt, es würde lernen wie ein kleines Kind – vorausgesetzt, man simuliert äußere Reize. Aber wird es denken? Wird es ein Ich haben? Ist das menschliche Ich, ist Intelligenz wirklich nur ein Epiphänomen neuronaler Schaltkreise? Und wenn man den Gehirn-Inhalt eines Menschen auf zehn Roboter überträgt, wer ist dann der angeblich unsterbliche Mensch? Für die Transhumanisten ist unser Selbst nur Information – ihnen reicht die Unsterblichkeit als Software.
Künstliches Bewusstsein scheint aber sowohl aus wissenschaftlicher als auch aus spiritueller Sicht eine Unmöglichkeit zu sein. Eine Form von Intelligenz mag denkbar sein, jedoch wird es wohl eine deterministische bleiben, reine Berechnung, ohne das Raten und Vermuten, ohne Ideen, ohne Intuition und plötzliche Einfälle. Oder vermag die neuronale Struktur eines Kunst-Gehrines und digitale DNA doch das Bewusstseinsfeld des Universums anzuzapfen? Lassen sich digitale Seelen erzeugen?
Ich glaube es nicht. Der Transhumanismus offenbart sich für mich als eine Form von Wahnsinn, angetrieben von Allmachtsphantasien und der Angst vor dem Tod. Der Transhumanismus wird an der Realität scheitern, dass er in seinem materialistisch-mechanischem Weltbild nicht begreifen will, was das Leben, was Bewusstsein wirklich ist. Dieses Leben, das trotz allen Fortschritts für unsere Wissenschaft nämlich noch immer ein völliges Rätsel ist, dieses Leben, dass der Entropie trotzt und immer komplexere, bewusstere Formen annimmt. Der Transhumanismus ist die ultimative Sackgasse des Materialismus, seine ins Groteske verzerrte Fratze.
Aber schon jetzt hat er Millionen von Anhängern – und nur wenige Menschen setzen sich wirklich damit auseinander, wie unmittelbar und zeitnah uns viele dieser Entwicklungen schon bald betreffen werden. Ebenso selbstverständlich wie das Smartphone werden auch alle zukünftigen Entwicklungen in die Normalität übergehen. Bald werden Eltern konservativ sein, wenn sie ihren Kinder zu Weihnachten nicht das neueste Implantat einsetzen lassen.
Es ist meine Hoffnung, dass der Mensch entweder rechtzeitig geistig reift, um diese Entwicklung noch zu beenden, oder aber das andere Faktoren, wie Umwelt oder Wirtschaft, sie glücklicherweise unmöglich machen. Vielleicht ist der Transhumanismus das letzte Aufbäumen des Materialismus, vielleicht werden ja gerade die Erkenntnisse aus diesem wahnwitzigen Versuch ein neues Kapitel aufschlagen. Vermutlich ist dies die Hoffnung von Menschen wie dem Dalai Lama, der sich auch für den Transhumanismus einsetzt.
Ich jedenfalls bin ein Terraner.
Mehr Infos:
Arte-Dokumentation: „Welt ohne Menschen – Transhumanismus: Chance oder Albtraum?“
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Author: Redaktion
Über den Autor
David Rotter Autor Website
schreibt für Sein.de und seinen eigenen Blog den-weg-gehen.de. Er wohnt mit seiner Partnerin und seinen zwei Töchtern im Wendland und arbeitet als freier Autor und Coach.
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