Datum: 22. Januar 2021 Autor: Bernhard Gusenbauer
„Lesezeit: ca. 4 Minuten“
Mit 5 Monaten wird Chris Nikic am offenen Herzen operiert. Als Kind ist er so schwach, dass er erst mit 4 Jahren ohne Hilfe gehen kann. Radfahren hat er mit 15 Jahren gelernt. Chris hat das Down-Syndrom (Trisomie 21) – Allergien und langwierige Krankheitsverläufe gehören zum Alltag. Neben körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen muss er vor allem gegen gesellschaftliche Vorurteile ankämpfen. Chris wird oft benachteiligt und Ärzte trichtern ihm ein, dass er im Leben nicht viel bewerkstelligen kann. Es ist diese Erwartungshaltung, die die wahren Schmerzen verursacht. Chris hat genug davon – er hat Träume und Visionen, die er erreichen will. Eines dieser Ziele heißt Triathlon, einer Sportart bestehend aus Schwimmen, Radfahren und Laufen.
Foto von chrisnikic.com
Chris Nikic: „Ich fühlte mich immer isoliert, ausgelassen, ausgeschlossen“
Unterstützt von der Familie beginnt er, sein Vorhaben in die Tat umzusetzen. Chris muss ganz von vorne anfangen, weil er mit den Jahren träge geworden ist. Da seine Lernkurve anders verläuft, muss er sein Trainingspensum anpassen. Chris nimmt sich vor, das Training jeden Tag ein bisschen zu steigern. Zu Beginn besteht seine Aktivität aus einem Liegestütz, einem Situp und einer Kniebeuge.
Chris Nikic: „Es geht darum, jeden Tag ein Prozent besser zu werden“
Aufgrund der Muskelschwäche trainiert Chris härter als alle anderen. Beim Radfahren muss er seine Reaktionszeit verbessern, um Hindernissen auszuweichen und Zusammenstöße zu vermeiden. Zusätzlich kämpft er mit Gleichgewichtsstörungen. Chris gibt nicht auf – die schwierigen Grundvoraussetzungen haben keine Chance gegen seine Willenskraft. Immer wieder bringt er sich an seine Grenzen, mittlerweile trainiert er drei Stunden pro Tag an sechs Tagen in der Woche. Während sich die Ärzte verwundert die Augen reiben, steigert Chris seine Leistungsfähigkeit. Nach einem Jahr Training geht er aufs Ganze: Er will seinen ersten Triathlon absolvieren!
Chris Nikic: „Konzentrier dich auf den Ironman, denn wenn jemand den Ironman macht, dann kann er auch alle anderen Träume verwirklichen“
Foto von chrisnikic.com
3,86 Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer Radfahren, 42,2 Kilometer Laufen. Eine unfassbare Distanz für einen Menschen mit Down-Syndrom. Für die Experten ist klar: Chris kann das niemals schaffen! Im Rennen muss er mit weiteren Problemen fertig werden: Balanceschwierigkeiten, geschwollene Knöchel, Fahrradsturz. Der Triathlon verzeiht keine Schwächen – Chris hat viele Gründe, um aufzugeben. Die entscheidende Frage lautet: Ist seine mentale Stärke ausreichend, um es zu schaffen?
Es ist ruhig geworden – die meisten Teilnehmer sind im Ziel. Das Zeitlimit von 17 Stunden ist in wenigen Minuten erreicht, ab dieser Frist ist das Rennen beendet. Plötzlich bricht Jubel aus, als doch noch ein Sportler auftaucht: Chris Nikic! Mit letzter Kraft schleppt er sich über die Ziellinie. Seine Zeit: 16 Stunden, 46 Minuten und 9 Sekunden. Die Familie fällt ihm um den Hals und unbeschreibliche Glücksgefühle durchströmen Chris. Geschafft! Langsam wird ihm bewusst: Er hat soeben als erster Mensch mit Down-Syndrom einen Ironman beendet.
Der Sport hat Chris grundlegend verändert: Aufgrund seines guten körperlichen Zustandes braucht er fast keine Medikamente mehr und seine geistige Verfassung steigert sich von Tag zu Tag. Neue Fertigkeiten lernt er im Handumdrehen, Rechenleistungen und Reaktionszeiten werden stetig besser. Während Chris früher weitgehend isoliert war, ist er jetzt in einer Trainingsgruppe mit Freunden unterwegs. Er ist Teil einer Gemeinschaft, die sich so viele Familien für ihre behinderten Kinder wünschen.
Chris Nikic: „Das Beste am Ironman ist das Training mit den Freunden. Ich war immer ausgeschlossen, das Training ist die beste Art der Einbeziehung. Ich habe Freunde auf der ganzen Welt gefunden“
Chris hat nicht nur sein Ziel erreicht, sondern alle Grenzen gesprengt. Er gründet eine Wohltätigkeitsorganisation und ist als Motivationsredner aktiv. Seine Botschaft an die Welt: Menschen mit Down-Syndrom werden unterschätzt. Sie haben nur eine andere Lernkurve und benötigen mehr Zeit. Unterstützen wir sie dabei, die beste Version davon zu werden, die sie sein können. Alle Träume können wahr werden, wenn wir den Mut aufbringen, ihnen zu folgen.
Es geht nicht darum, der Beste zu werden. Es geht darum, besser als gestern zu sein. Mit dieser Strategie wird Chris zum Vorbild für viele Menschen, niemals aufzugeben. Aktueller Trainingsstand? 200 Liegestütze, 200 Situps und 200 Kniebeugen pro Tag – das Ende ist noch lange nicht erreicht. Alles scheint immer unmöglich – bis jemand kommt und es vollbringt!
Chris Nikic: „Ich habe gelernt, dass es keine Grenzen gibt. Ein Mensch mit Down-Syndrom ist in der Lage, Herausforderungen zu meistern“
Foto von chrisnikic.com
Einzelnachweise (abgerufen am 18.01.2021):
1. www.tri-mag.de – Sportgeschichte in Florida: Chris Nikic
2. www.sz-magazin.sueddeutsche.de – Ich habe vor einem Jahr mit einem Liegestütz angefangen
3. www.chrisnikic.com – Chris Nikic
https://motivationsgeschichten.com/author/bernhardgusenbauer/