Gelingt es mir aber, so prĂ€sent zu sein, dass ich klar wahrnehmen kann, wann ich schweigen sollte und wann Handeln angesagt ist, dann spĂŒre ich, wie sich friedfertiges Schmetterlingsbewusstsein in mir auszubreiten beginnt.
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SCHOLĂ-NACHRICHTEN MĂRZ 2020
Auf einem Pflanzenstengel bewegt sich eine Raupe langsam voran.
Sie ist schwer beschĂ€ftigt. Ihre Kiefer zermahlen ein Blatt nach dem anderen, ihre Verdauungsorgane arbeiten ohne Pause. Sie muss rasch dicker und gröĂer werden, ihr angeborener Instinkt treibt sie zum Weiterwachsen an. Ab und zu riskiert sie einen Blick auf die Konkurrenz, auf die vielen Artgenossinen vor, neben und hinter ihr, mit denen sie Tag fĂŒr Tag um die Wette frisst.
Was mag die Raupe wohl empfinden, wenn ihr Blick zufĂ€llig auf den bunten Schmetterling fĂ€llt, der hoch ĂŒber ihr durch die Luft segelt? Ob sie eine Ahnung hat, dass dieses geflĂŒgelte Wesen, das rein gar nichts mit ihr gemeinsam zu haben scheint, auch einmal eine Raupe war? Wahrscheinlich nicht. Wahrscheinlich wird sie von ihrer eigenen Entwicklung ĂŒberrascht, wenn ihr die nahrhaften BlĂ€tter auf einmal nicht mehr schmecken. Plötzlich verspĂŒrt sie den unerklĂ€rlichen Drang, ihren schwer und plump gewordenen Körper in eine feste HĂŒlle aus selbst erzeugten SeidenfĂ€den einzuspinnen. Und in diesem Kokon, der sie vor der AuĂenwelt schĂŒtzt, vollzieht sich im Verlauf der nĂ€chsten Wochen oder Monate ein unfassbares Wunder.
Eine Körperzelle nach der anderen beginnt sich aufzulösen und umzubilden. Das Immunsystem der Raupe greift die neu entstandenen Imago-Zellen an, weil es sie als feindliche Eindringlinge identifiziert. Doch allzu lange kann sich die Larve ihrer Verwandlung nicht widersetzen. Ihr Immunsystem ist irgendwann ĂŒberfordert, denn mehr und mehr Körperzellen wechseln ihre Gestalt, bis schlieĂlich der Umschlagpunkt erreicht ist: Von einem Moment auf den anderen fĂŒhlt sich das Lebewesen in dem Kokon nicht lĂ€nger als sterbende Raupe, sondern als werdender Schmetterling. Ab diesem Moment erkennt es seine Abwehrmechanismen als Selbstsabotage und beteiligt sich aktiv an dem geheimnisvollen Prozess der Neuwerdung, an dessen Ende es sich als farbenfroh schillernder Schmetterling erstmals in die LĂŒfte erheben wird.
Viele Milliarden Mal vollzieht sich dieses Wunder
Jahr fĂŒr Jahr in fast allen Regionen der Erde. Ist die Metamorphose der Schmetterlingsraupe nicht ein groĂartiges Sinnbild sowohl der Bewusstseinsentwicklung jedes einzelnen Menschen als auch der allmĂ€hlichen Evolution der Gesellschaft?
Schmetterlinge lieben den sĂŒĂen Nektar der BlĂŒten, manche könnte man auch als Lichtesser bezeichnen, weil sie gar nichts zu sich nehmen. Einzeln oder in SchwĂ€rmen fliegen sie frei umher und sehen die Vielfalt der Welt aus der Vogelperspektive. GröĂere ZusammenhĂ€nge zu erkennen, fĂ€llt ihnen also ganz leicht.
Das Gesichtsfeld der Raupen hingegen ist Ă€uĂerst beschrĂ€nkt. Sie sehen nur, was sich unmittelbar vor oder neben ihnen befindet und interessieren sich ausschlieĂlich fĂŒrs Fressen und Weiterwachsen. FlugfĂ€hige Lebewesen machen ihnen instinktiv Angst. SchlieĂlich mĂŒssen sie jederzeit damit rechnen, dass es sich um hungrige Vögel oder Raubinsekten handelt, die es auf sie abgesehen haben. Die anderen Raupen in ihrem Umfeld sind zwar ihre Geschwister, zugleich aber immer auch Nahrungskonkurrenten, weshalb man sie misstrauisch im Auge behalten muss.
Wenn mich Entsetzen und Verzweiflung erfassen angesichts der Ausbreitung von Angst, Tod und Zerstörung, die wir gerade miterleben, tröstet mich die wahre Geschichte von der Raupe und dem Schmetterling. Sie erinnert mich daran, dass ich Selbstsabotage betreibe, indem ich mich gegen einen Prozess auflehne, dessen Ausgang bereits feststeht. Denn wie die meisten Menschen, die sich eine Raupenwelt des grenzenlosen Wachstums, der gnadenlosen Konkurrenz und des ungebremsten Konsums wahrlich nicht zurĂŒck wĂŒnschen, weiĂ ich tief in meinem Inneren, dass eine viel schönere und lebenswertere Schmetterlingswelt vor uns liegt, auch wenn wir sie uns noch nicht vorstellen können.
Wenn ich mich durch Schreckensmeldungen oder besonders aufregende und interessante Artikel im Internet aus der Ruhe bringen lasse, wenn ich schimpfe und streite, statt bei mir zu bleiben, dann fallen mir die Imago-Zellen ein, die vom Immunsystem der Raupe attackiert werden. Gelingt es mir aber, so prĂ€sent zu sein, dass ich klar wahrnehmen kann, wann ich schweigen sollte und wann Handeln angesagt ist, dann spĂŒre ich, wie sich friedfertiges Schmetterlingsbewusstsein in mir auszubreiten beginnt.
Packt mich der Zorn, weil ich es nicht fassen kann, dass opportunistische und gewissenlose Wissenschaftler, Ărzte, Politiker oder Journalisten sich so erfolgreich als WohltĂ€ter und BeschĂŒtzer in Szene setzen können, versuche ich sie mir als borstige Raupen vorzustellen und denke mir:
Fresst nur weiter! Ihr werdet staunen, was euch bevorsteht, wenn ihr erst richtig groĂ und fett geworden seid!
Muss ich mit ansehen, dass Menschen verfolgt werden, die sich fĂŒr das Wohl der Allgemeinheit einsetzen und dafĂŒr groĂe persönliche Opfer bringen, versuche ich mich mit dem Gedanken zu trösten, dass sie bereits in die letzte Verwandlungsphase eingetreten sind und sich nur noch von der PuppenhĂŒlle befreien mĂŒssenâŠ
Die Kinder der Neuen Zeit scheinen nicht nur die Raupenphase, sondern auch die Verpuppungsphase schon hinter sich zu haben. Sie lassen sich weder in Angst noch in Zorn oder Sorge versetzen, denn ihr mehrdimensionales Bewusstsein erlaubt es ihnen, sich in andere Menschen einzufĂŒhlen, ohne sie zu bewerten. Sie folgen unbeirrbar ihrem Seelenweg, sie leben im Einklang mit sich selbst und mit der Natur, sie verbreiten Freude und Licht â und es kommen immer mehr von ihnen zur Welt. Wollen wir das nicht als gutes Omen dafĂŒr deuten, dass es nicht mehr lange dauern kann, bis der kollektive Umschlag vom Raupenbewusstsein zum Schmetterlingsbewusstsein sich endgĂŒltig vollzogen haben wird?
Hoffnungsvolle, bunt schillernde FrĂŒhlingsgrĂŒĂe
Alexandra
â QUELLE: SCHOLĂ-NACHRICHTEN
Alexandra Terzic-Auer, geb. 1952. Nach interdisziplinĂ€ren, nie abgeschlossenen Studien war ich viele Jahre als Verlagslektorin und Ăbersetzerin tĂ€tig. Kinder â meine eigenen und viele andere â haben meine Weltsicht nachhaltig erweitert, ebenso wie die Arbeit mit Kinesiologie und systemischen Aufstellungen. In der Freilerner-Bewegung sehe ich den Beginn eines Bewusstseinwandels, den ich mit meinem Projekt âScholĂ© â MuĂe fĂŒr Herz und Geistâ freudig unterstĂŒtze, so gut ich kann. â www.schole.at
(Einzelne Hervorgebungen in diesem Beitrag von JJK.)
Veröffentlichungen am Lichtwelt-Blog
Aus dem Buch LERNEN IST WIE ATMEN:
â WIE DĂRFEN KINDER LERNEN?
â MUĂE, NICHT ARBEIT, IST DAS ZIEL DES MENSCHEN
â PAPA, WIR WOLLEN DIE FBI-SEITE LESEN KĂNNEN!
â EIN INTERVIEW ĂBER DAS FREILERNEN
â BEVOR DER ERNST DES LEBEN BEGANN
â SCHOLĂ HAUPTANLIEGEN FĂR 2018: LEGALISIERUNG DES FREILERNENS