Von allen gemachten Erfahrungen ist eine für viele besonders gravierend. Das Alleinsein macht den Meisten die größten Probleme. Ich denke gerade über den Unterschied zwischen dem Alleinsein und der Einsamkeit nach. Auf den ersten Blick ist das Alleinsein ein Zustand, während die Einsamkeit eine Empfindung ist. Wir können allein und einsam sein, oder allein sein, aber nicht einsam. Am traurigsten ist es, dass viele von uns nicht allein sind und trotzdem sich einsam fühlen… Ich finde es ist ein wichtiges Thema und deshalb will ich darauf näher eingehen. Vielleicht gelingt es mir dabei für andere eine Idee, oder einen Denkanstoß zu geben, wie sie diese Erfahrung einordnen und wie sie das für sich interpretieren können, aber nicht müssen.
Die Frage ist, warum diese Erfahrung wichtig und gut für uns ist, auch wenn es sogar schmerzhaft sein kann, und was hat das mit dem Ego zu tun? Du weißt wovon ich spreche? Aber eins nach dem anderen…
Warum ist Alleinsein für viele so unerträglich, bis schmerzhaft und was genau ist es, das uns so viel Schmerz und Unbehagen bereitet? Warum leiden wir, wenn wir in völliger Abwesenheit von anderen Mitmenschen sind?
Wenn wir dieser Frage auf den Grund gehen wollen, ist es wichtig als Erstes zu begreifen, wer wir wirklich sind. Wir sind in der Vorstellung befangen, dass wir das sind, was wir denken es zu sein… Doch das, was du denkst zu sein, bist nicht wirklich du. Es ist nur eine Vorstellung von dir. Es ist das, was man als Ego bezeichnet. Es ist deine persönlich kreierte Idee, welche du dir selbst von dir gemacht hast. Das Bild, was in deinem Bewusstsein erscheint, wenn du nur deinen Namen sagst, hörst, oder nur denkst. Und selbst der Name gehört zu dieser Vorstellung. Es ist die Legende, die du dir selbst von dir erschaffen hast. Es ist die Sammlung deiner archivierten Erinnerungen und gemachten Erfahrungen. Sie sind wie kleine Puzzleteile, die dein Bild von dir selbst zusammensetzen. Ihr Ursprung beginnt in deinem Umfeld und sie geben dir deine Prägung. Diese wertvolle, einzigartige und sehr individuelle Sammlung von allen in deinem Leben gemachten Erfahrungen und verbliebenen Erinnerungen, haben sich zu einem großen Konzept entwickelt. Nennen wir es das Selbst-Konzept.
Wie würde aber dieses Konzept aussehen, wärst du woanders auf der Erde geboren? Du hättest dann eine andere Familie, Freunde, eine andere Vergangenheit, andere Erinnerungen und somit ein anderes Ego. Das bedeutet, dass das Ego völlig variabel und nichts Festes ist. Es ändert sich im Laufe der Zeit ständig und hätte auch völlig anders sein können, wenn dein Leben einen anderen Lauf genommen hätte, oder, wenn du dich selbst anders definiert hättest … Und im Spiel auf der Bühne des Lebens hättest du ganz einfach eine andere Rolle eingenommen. Aber nun spielst du diese Rolle, und du spielst diese Rolle so authentisch und mit so viel Hingabe, dass du schon ganz vergessen hast, dass es sich nur um eine Rolle im Spiel handelt. Stell dir einen Schauspieler vor, der so gut in seiner Roller aufgeht, dass er in dem Moment, wo er nur schauspielert, wirklich glaubt die Figur aus dem Bühnenstück zu sein. Die moderne Welt der Computerspiele hält für den Spieler zahllose Identitäten und Welten, wo der Spieler in eben solche gänzlich vergessend eintauchen kann.
Und genauso geht es den allermeisten Menschen. Völlig identifiziert mit ihrem Ego und dem Irrglauben, das Ego zu sein.
Wenn du aber nicht dein Ego bist, wer bist du dann?
Hier ist das Geheimnis: du bist reines Bewusstsein und somit völlig neutraler und nicht wertender Beobachter. Du bist die Intelligenz hinter dem Bildschirm, die den Spielablauf lenkt. Du bist der Zuschauer, der das Ganze beobachtet. Du bist nicht der, der ein Leben lebt, sondern der, der sich den Film deines Lebens, völlig Wert neutral, anschaut. Das heißt, immer, wenn du eine Lebenssituation auf irgendeiner Art und Weise mit Gedanken bewertest, bist du im Ego-Modus, denn alle bewertenden Gedanken entspringen aus dem Ego… Wie gesagt, du bist schließlich ein neutraler und nicht-wertender-Beobachter. Ohne Gedanken. Du bist pures Bewusstsein. Im hier und jetzt.
Wenn dein Ego Gedanken erschafft, dann bist du der, der diese Gedanken beobachtet. Wir kennen alle Gedanken, die sich uns regelrecht aufdrängen. Meistens sind es Pausenfüller des Egos, das sich in Erinnerung bringt. Es sind oft zusammenhanglose und Thema verfehlende Gedanken. Aber, wenn du die Gedanken beobachten kannst, dann kannst du ja nicht die Gedanken sein, denn du kannst dich niemals selbst beobachten. Auch wenn du dich im Spiegel siehst und verfolgen kannst, so beobachtest du nicht dich selbst, sondern nur dein eigenes Spiegelbild… Auch eine Kamera kann sich nicht selbst aufnehmen, auch nicht mit einem Spiegel, denn auch da würde sie sich nicht selbst beobachten, sondern nur ihr Spiegelbild, was sie durch das Licht und den Spiegel zurück reflektiert wird.
Ergo: Du bist all das was du nicht beobachten kannst, also bist du weder deine Erinnerungen und Erfahrungen, noch dein Körper, denn all das kannst du schließlich beobachten. Du bist das Unbeobachtbare. Du bist reines Bewusstsein und alle diese Ideen, die du denkst zu sein, erscheinen dir im Bewusstsein.
Versuche nach dem Ausschlussverfahren alles wegzustreichen, was du beobachten kannst, dann wirst du dich selbst erst ganz am Ende finden. Denn ganz am Ende bleibst du dein blankes, wahres und authentisches Selbst.
Aber kommen wir nun zurück zum Thema »Alleinsein«.
Wenn dich das Alleinsein verletzt, so bist du nicht als Bewusstsein verletzt, denn Bewusstsein kann man nicht verletzen. Bewusstsein ist die essentielle und reine Präsenz deiner Selbst. Das, was verletzt ist, ist dein Ego, denn dein Ego entstand und entsteht durch die Beziehungen zu deinen Mitmenschen, deinem Umfeld. Das Ego wurde durch dein Umfeld und die Menschen/Gesellschaft geprägt, und ›ernährt‹ sich durch das Wechselspiel der Aufmerksamkeit.
Das Ego lebt durch die Beziehungen, die du zu deinem Umfeld aufgebaut hast. Es sammelt und archiviert ständig alle Daten, um sich dadurch zu definieren – als Selbsterhaltungsstrategie. Es kann nur im Bezug zu etwas bestehen. Es geht ein, wenn es diese ›Daten‹ nicht hat. Es ist bewertend, also definiert sich im Bezug zu etwas: kleiner, größer, besser, schlechter, weiter, oben, unten…
Wenn du ein netter Mensch bist, kannst du allein nicht weiter nett sein, wenn du ein böser Mensch bist, kannst du allein nicht weiter böse sein, denn dazu brauchst du die Aufmerksamkeit eines/der Anderen, als Bezugspunkt. Wenn du nett oder böse bist be(ob)achten dich die Menschen. Sie können nicht neutral zu dir sein – sie haben auch ein Ego – und sie handeln aus demselben Interesse – der Aufmerksamkeit. Bedienen sich lediglich anderer Mitteln. Und hier gibt es kein besseres oder schlechtes Mittel, denn das ist nur eine Frage der Bewertung. Das Ego ist grundsätzlich individuell, wie unsere ganze individuelle Rolle im Leben.
Diese Individualität als Unterscheidungsmerkmal und Vergleichsmöglichkeit, gibt es im Alleinsein nicht, denn dir fehlt der Bezugspunkt. Du kannst in einer Gesellschaft individuell auftreten, aber Individualität ist im Alleinsein, im Sinne des Egos, eine Illusion. Wenn du allein bist, wirst du nach der Auflösung des Unechten ein Ganzes sein. Das ›Ich Bin‹. Alleinsein heißt nämlich ganz sein mit sich selbst. Jegliche Individualität verschmilzt und wird zum ›Eins mit Allem‹. Das Ego-Selbstbild kann sich nicht mehr halten. Das Ego kann ohne Daten, Koordinaten, Vergleiche zu ziehen nicht existieren und wird sich schnell auflösen. Dem Ego wurde der Nährboden entzogen und die Datenerhebung verweigert. Es ist ein Ego ohne Halt, ohne Stabilität und eingebildete Sicherheit.
Die Individualität, die sich über den Ego-Modus definiert, der Selbstausdruck ist die eine Seite. Doch besonders die Einzigartigkeit jedes Individuums betrachten wir als den Abdruck der Schöpfervielfalt Gottes. Es gibt jedem Individuum das Besondere, ohne, dass es als besser oder schlechter angesehen wird. Es ist mir wichtig das zu betonen, denn jeder hat einen eigenen und individuellen Lösungs-/Lebens-Weg, sowie die Art mit den Gottgegebenen Gaben/Fähigkeiten und Talenten diesen zu meistern. Aber, wie gesagt, Individualität wird durch dein Umfeld und die Gesellschaft mitgeprägt. Sie sind wie zwei Pole eines Ganzen. Doch das löst sich dann auch auf. Und gerade diesen Ablösungs-Prozess erfahren wir als besonders schmerzhaft. Frage dich doch selbst, wieviel Zeit und Energie hast du deinem Ego bis jetzt gewidmet? Wie oft hat es dich mit Haut und Haaren verschlungen, oder besser, du hast dich von deinem Ego verschlingen und gängeln lassen? Bist regelrecht eine Beziehung mit ihm eingegangen? Wie sollst du jetzt es einfach fallen lassen, das, dass du so innigst aufgebaut hast?… So einfach ist das nicht für dich… Stimmt’s?
Aber was, wenn ich dir sage, dass diese Erfahrung für dich auch ein Segen ist. Es ist heilsam. Du hast jetzt die Möglichkeit, dir all diese ›Schmerzen‹ bewusst näher anzusehen. Schaue es dir genauer an und schicke es nicht unbesehen wieder in den Container des Unterbewussten. Es kommt garantiert größer wieder auf dich zurück. Du kannst nur das loslassen/fallenlassen, das du ›in den Händen hältst‹. Nehme es an, sehe genau hin, warum dich etwas so triggert und lass es gehen.
Es ist das Ego, das tobt. Oft stellt man fest, dass es alte Verletzungen, wie Verlustängste und ungestillte Liebessehnsucht sind… Beobachte es ohne auf seine Trigger einzugehen und vergebe dir selbst und den Verursachern. Wenn sich dein Ego auflöst, fühlt es sich leer an. Fast, wie eine Hassliebe, weil du etwas plötzlich vermisst, das ein Teil deiner Komfortzone war. Wichtiger ist jedoch zu erfahren, dass du wunderbar ohne das aufgeblasene und bestimmende Ego leben kannst. Du lernst gerade das Ego zu zähmen und es so anzunehmen. Im Moment existiert nur dieser Prozess, welches sich für dich wie Sterben anfühlt.
Du fühlst eine Leere, ein Vakuum in dir. Du könntest dich so fühlen, als würdest du verrückt werden, als würdest du dein Verstand verlieren, denn das Ego ist im Grunde dein Verstand. Und das ist auch genau das, was passiert: Das Ego kapituliert und verliert die Orientierung. Es versucht sich mit allen Mitteln zu wehren und wieder etwas Boden zu gewinnen. Jetzt sei einfach völlig losgelöst …, denn dein Selbst-Konzept ist gerade im Umbau.
Es ist ein Prozess, wo du für dich und deine Gedanken die Führung übernimmst.
Es ist ein Stelldichein mit deiner Seele.
Dein altes Selbst-Konzept und Umfeld, loszulassen ist nicht immer einfach.
Du fühlst dich wie verlassen und ausgeliefert und zum ersten Mal spürst du nur das ›Ich Bin‹…
Ohne Schnörkel…
Und die Angst schwindet, denn all diese Glaubenssätze die Angst schürten, waren durch dein Ego kreiert. Es ist seine Angst. Wie fühlst du dich jetzt? Leichtigkeit? Wie im ruhigen Totem Meer auf dem Rücken schwimmen? Geborgen und in sich selbst ruhend?
Es ist interessant, wieviel Tiefe und innere Balance man erfährt durch diese Erfahrung. Stelle dich den Ängsten. Erst durch diese Erfahrung kannst du dich selbst im Ganzen be-greifen. Angst vor der Einsamkeit und dem Alleinsein hat sehr viel mit der Liebe und der Eigenliebe im Besonderen zu tun. Und jetzt schaue auf das, was dich, deine Seele, so bereichert hat. Du bist dir selbst in einer besonderen Art begegnet. Du hast gelernt, dass das Ego dir dienen, aber dich nicht gängeln darf. Du hast erfahren, dass das Alleinsein nicht sofort Einsamkeit bedeutet, denn Einsamkeit bedeutet Abhängigkeit, fehlende Selbstbestimmung, Selbstverantwortung und Selbstwertgefühl. Alles Aspekte der Eigenliebe…
Du hast verstanden, dass wir alle und ständig an unserem Selbst-Konzept arbeiten und es korrigieren können. Du weißt jetzt, dass du nicht das Ego, oder dein Körper bist, sondern reines Bewusstsein.
Herzlichen Glückwunsch…
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