Der Turm im Tarot ist die sechszehnte Station des Narren auf seiner Reise des Erwachens. Diese Karte hat es wirklich in sich und kommt nicht selten mit einem ordentlichen Paukenschlag daher.
Der Turm im Tarot ist die sechszehnte Station des Narren auf seiner Reise des Erwachens. Diese Karte hat es in sich und kommt nicht selten mit einem ordentlichen Paukenschlag daher.
Am Anfang eines jeden Jahres schaue ich, mehr aus naiver Neugierde als aus wirklichen Interesse, welches im Tarot meine Jahreskarte ist. Diese kann aus der Quersumme des Geburtsdatums und des aktuellen Jahres gebildet werden. 2019 bedeutete dies in meinem Fall die Summe aus 3+1+2+1+9 (30.01.2019). Addiert ergibt das 16, den Turm.
Es war das Jahr, in dem ich mein erstes Buch geschrieben hatte „Der alte Pfad und die Rauhnächte.“ Alles lief scheinbar wunderbar, das Jahr neigte sich dem Ende entgegen und statt einem Blitzschlag, der den Turm zum Einsturz bringt, schien es recht gut zu laufen. Weit verfehlt! Am Freitag, den 13. Dezember, krachte „scheinbar“ aus heiterem Himmel von einer Minute zur anderen alles zusammen. Der Blitz schlug ein und warf mich zu Boden.
Eine langjährige Ehe war, gefühlt von einer Sekunde zur nächsten, aus und vorbei. Frau weg, Wohnung weg, neues soziales Umfeld und die Firma, die acht Jahre lang mühsam aufgebaut wurde, war ebenfalls passé. Da erhob sich ein riesiger Scherbenhaufen vor mir, vielmehr lag ich mitten unter ihm begraben. Der Turm war eingestürzt und hat alles mit sich gerissen.
Das ist meine persönliche Erfahrung mit dem Turm im Tarot. Nach monatelanger Abstinenz vom Leben griff Selbiges mit solch einer Wucht nach mir, dass ich aus dem Trümmerhaufen herausfand, Schritt für Schritt. Auf jenem Weg bin ich in so ziemlich alle Schatten meines Selbst eingetaucht, die ich fand. Dem Schicksal hatte ich mich zu diesem Zeitpunkt vollkommen ergeben.
„Okay Leben, du möchtest aufräumen, dann aber richtig. Lass keinen Stein auf dem anderen. Muss ich diesen Weg gehen, dann gehen wir ihn dieses mal ganz und ohne Gnade.“ Ich war bereit, all meine, seit den Kindertagen zusammengeschusterte Identität zu verbrennen, und das habe ich getan. Gibt es nichts, was noch verloren werden kann, ist dies der einzig richtige Weg. Es war ein extrem herausfordernder Prozess, aber ich lernte zum Lohn, was es bedeutet, phönixgleich aufzuerstehen und mit funkelnden Flügeln zu fliegen.
Aus diesem Grunde schrieb ich eingangs „Alles lief scheinbar wunderbar.“, denn der Blitz schlägt nur dort mit solch einer Wucht ein, wo es nötig ist. Schauen wir uns die Karte näher an und erkennen, warum sie das größte Potential wahrer Freiheit in sich trägt, weit mehr als alle anderen Tarotkarten der Großen Arkana
Der Turm im Tarot
Wir besitzen die Möglichkeit, die Große Arkana, auf einer höheren Ebene, als Lebensreise des Narren betrachten. An diesem Punkt seines Pfades hat er viele Abenteuer erlebt und eine Unmenge an Erfahrungen gesammelt. Seine letzte Station war der Teufel, in der es galt die Motivation der eigenen Handlungen herauszufinden. Folgt der luziferischen Kraft und den Verlockungen des Schwätzers oder ist er von derlei Versuchungen frei?
Der Narr hatte seine Lebensaufgaben zu meistern. Mit Karte „Der Turm“ fällt das Licht, der Blitz (der unfreiwilligen Erkenntnis) auf all jene Bereiche, die er nicht wahrhaben will.
Was er auf seiner Reise versuchte auszuklammern, nicht sehen, hören oder sagen wollte, liegt jetzt nicht mehr in seiner Hand. Der Blitz trifft von außen und reißt die eigenen Mauern ein. Es ist oft ein schmerzhafter, aber gleichzeitig ein schneller, „kurzer“ Prozess. Andere Kräfte des kosmischen Raumes übernehmen die Führung und zwingen uns durch eine derart drastische Maßnahme zur finalen Erkenntnis darüber, wer wir im Kern unseres Wesens sind. Es ist wie eine Korrektur des eigenen Seelenplans . Wir werden auf Kurs gebracht.
Ist der Narr an einem Punkt in seinem Leben angekommen, wo nur er selbst sich jetzt noch im Wege steht, ehe er erwacht, so tritt mit der Turm-Karte dieser Wendepunkt in seine Gegenwart. Es kann vieles genommen werden, was vertraut erschien. Es erscheint mitunter an, wie der Fall in ein tiefes, schwarzes Loch.
Es bricht alles weg, was den Narren jetzt noch behindert. Der kosmische Raum (oder sein höheres Selbst) zwingen ihn in diesen mitunter schmerzhaften Prozess regelrecht hinein. Das Gute an der Sache, nur das erkennt er zumeist nicht, der vor ihm liegende Weg, heraus aus den Trümmern des eingestürzten Lebens(-bereiches), birgt in sich ein immenses Potential der wahrhaftigen Heilung und Befreiung.
Der Narr hat an diesem Punkt zwei Optionen. Er kneift und kehrt zu den früheren Stationen seiner Reise zurück, wodurch das Spiel abermals startet. Oder, und das ist die klügere Entscheidung, er ist mutig und schaut mal mit dem Seziermesser in der geistigen Hand, warum es überhaupt zum Einsturz kam. Durchreist er alle Ebenen der eigenen Seele, taucht er in die tiefsten Schatten hinab und wühlt er sich durch den Trümmerhaufen, so ist er am Ende ein freies Wesen. Dieses Geschenk liegt im Turm verborgen.
Er verliert mitunter einen Großteil seiner erschaffenen Identität, aber mit der Zeit fügt sich alles zusammen, wenn er auf seine Kräfte vertraut. Gelingt dieser mutige Schritt, so erkennt er die Fülle des Lebens und taucht mitten hinein. Er erreicht die nächste Station und landet in den Sternen.
In der Überschrift ist zu lesen: „Endlich schlägt der Blitz ein!“. Genau so kann die Karte gesehen werden. In letzter Konsequenz wird mit dem Turm eingerissen, was unser Leben behindert. Das geschieht nicht freiwillig, doch es ist notwendig. Es kracht uns um die Ohren, dass es nur so scheppert, aber es ist der Lärm eines Befreiungsschlages. Meistens erweist sich diese Karte im Nachhinein als äußerst positiv.
Ich habe von meinem Erlebnis mit dem Turm berichtet. Es war ein exakt gesetzter Hieb, eine einzige Minute, die alles änderte. Es fand ein radikaler Schnitt statt. Es war das Beste, was mir je widerfahren ist. Ich hatte zu Beginn keinerlei Plan, wie ich aus der Nummer lebend herauskomme, nahm meine Umwelt eine ganze Weile nur am Rande wahr. Funktionierte nur zeitweise, wenn mir keine Wahl bliebt und war innerlich bereit aufzugeben.
Das tat ich, aber anders als gedacht. Alles wurde auf den Scheiterhaufen gelegt: meine Werte, die falschen Glaubenssätze, die Konditionierungen seit Kindertagen. Die mit den Jahren errichteten Schutzmauern riss ich ein, soweit es möglich war. Heute weiß ich genau, was zu mir gehört und eben nicht, was ich möchte und nicht, mich weiter bringt oder mir schadet.
Ich besitze keine durchgeplante Navigationsroute für den vor mir liegenden Weg, aber erkenne meinen Wert. Ich fürchte mich nicht mehr vor dem Leben, im Gegenteil – ich liebe es.
Ich habe mir ein Zuhause erschaffen, in dem ich jeden Tag denke: „Wie schön es hier ist.“ Der Fokus der Arbeit liegt jetzt auf „Taste of Power“. Es ist kein Nebenjob mehr, den ich nach Feierabend irgendwie auch noch zu erledigen habe. Es ist eine gelebte Freiheit in all den Augenblicken, die ich bewirke. Mein Freundeskreis hat sich um zauberhafte Menschen erweitert und ich fühle tiefe Dankbarkeit und Zufriedenheit in mir, selbst in Momenten, die mitunter nicht so prickelnd sind.
An dieser Stelle ist zu betonen, dass keineswegs zwangsläufig alles zusammenbricht, was dir vertraut ist. Es merzt nur jene Felder des Lebens aus, die nicht zu uns gehören. Bei mir war es gleich eine ganze Reihe an Lebensräumen, die nicht mehr stimmig waren. Es kann durchaus sein, dass es „nur“ die Arbeit betrifft, „nur“ deine Beziehung, „nur“ eine Freundschaft, und so weiter. Es ist nicht meine Absicht, Angst in dir zu schüren, sondern diese spezielle Situation bot sich mit den Fingern schnippend an, den Kernpunkt der Tarotkarte zu verdeutlichen.
Der Turm im Waite Tarot
Bei Waite schlägt der Blitz so akkurat ein, dass uns das Krönchen vom Kopf fliegt. Der Turm fängt Feuer und alle falschen Werte fliegen als personifizierte Wesen die Fenster hinaus in den Abgrund.
Gleichermaßen erfolgt hier die Veränderung Knall auf Fall, sprich unvorhersehbar. Der Blitz schlägt ein, ohne sich vorher durch Donner anzukündigen. Der getroffene Turm steht dabei auf einem Felsen, was so gedeutet werden kann, dass wir uns selbst erhöht haben oder anders ausgedrückt, wir haben zu steil in die Höhe gebaut, zu hoch gestapelt.
Wir haben uns im Alleingang gekrönt und waren überzeugt, das innere Reich fest im Griff zu haben. Weit gefehlt. Die Krone wird uns entrissen und wir haben die Chance, frei von jedwedem Ego, unser wahres Wesen zu erblicken. Diese Karte schenkt uns die Gunst der Stunde auf ein echtes, glücklicheres Leben, in dem alles Künstliche keinen Raum mehr finden wird.
Wie schaut es im Aleister Crowley Tarot aus?
Wer meine anderen Beschreibungen der Karten der Großen Arkana kennt, hat Kenntnis davon, dass ich ein Fan des Crowley Decks bin. Seine Interpretation des Turms wirkt auf den ersten Blick wie ein Alarmsignal. Sie leuchtet uns in Rot entgegen, der schwarze Hintergrund schafft eine düstere Atmosphäre. Schauen wir aber einmal etwas genauer hin.
Ein Schlund mit scharfen Zähnen öffnet sich und speit Feuer, der Turm fällt. Wir sehen einen schlangenartigen Drachen, eine Taube, fliegende Wesen und das Horusauge, welches über allem schwebt und seine Strahlen in sämtliche Winkel aussendet.
Dies alles sind Zeichen der Transformation und der Heilung.
Erinnere dich, es ist die 16. Karte der Großen Arkana. Nur der Stern, der Mond, die Sonne, das Gericht und das Universum sind bisweilen nicht erklommen. Es ist bis hierhin schon vieles erreicht.
Es ist an der Zeit für das alles verzehrende Feuer. Dieser Brand zerstört nicht wahllos, es fegt hinfort, was hinfällig ist. Es ist ein Akt tiefer Reinigung. Ebenso lässt sich die Schlange deuten, die von einem Strahlenkranz umgeben ist. Sie erinnert daran, dass es an der Zeit ist, die alte Haut abzulegen, sich zu erneuern.
Alles, was das eigene Wachstum behindert, wird vernichtet. Wird der Narr darin das Gute oder das Schlechte sehen? Die vier Wesen, die durch die Lüfte hinfort geschleudert werden, sind unsere künstlich kreierten Anteile, die es loszuwerden gilt. Jedes falsche Ich-Verständnis wird aus dem eigenen Heim, der Seele geworfen. Wir lösen den Klammergriff an unser Ego und erwachen authentischer als je zuvor.
Die Taube mit dem Olivenzweig ist ein Symbol des Friedens und der tiefen Liebe. Es ist die Herzenswärme und das Mitgefühl uns selbst gegenüber. Wir brauchen beides, um den Weg zu meistern, der vor uns liegt. Es gilt, milde mit uns zu sein. Es ist kein Raum für Verurteilungen nötig, wir haben die Chance alles anzunehmen, was uns ausmacht. Die Taube symbolisiert zugleich den Frieden, der sich einstellen wird, wenn wir den Pfad der Transformation erfolgreich gegangen sind.
Mit dem Turm tauchst du mitten hinein in einen tief gehenden Prozess der Heilung.
Über allem wacht das Auge des Horus. Es ist unser Bewusstsein, dass in letzter Konsequenz erwacht. Der Blick in das höhere Selbst. Es schaut uns strahlend und freundlich entgegen. Es ist weit geöffnet und bereit, hinzusehen. Im alten Ägypten entspricht Horus dem Gott der Wahrnehmung. Wir nehmen endlich wahr, wer und was uns ausmacht.
Resümee
Schauen wir auf die Zahlensymbolik der Karte, so ergibt sich in der Quersumme (1+6) die Sieben. Der Wagen im Tarot erforderte eine Innenschau, wir hatten die Zügel in die Hand bekommen, sind aber nicht losgefahren, sondern haben in uns selbst hineingehorcht und gewandelt, was uns möglich erschien. War der Wagen ein innerer Prozess, so erhalten wir mit dem Turm Hilfe von Außen.
Es wird das Unechte eingerissen, welches wir alleine nicht erkennen. Halten wir stur an schadhaften Mustern fest, werden sie uns uns radikal genommen. Dies betrifft alle, künstlich am Leben erhaltene Pseudowelten, die keinen Bestand haben. Es sind Ebenen unseres Seins, die nicht zu uns gehören, das Vorangehen ausbremsen und die eigenen Möglichkeiten klein halten.
Ja der Turm stürzt ein, aber die Gemäuer, die dabei stehen bleiben, sind unser pures, wahres Selbst. Wir sind in der Lage sie Stein für Stein abtragen und im Anschluss zu einem blühenden und vor allem echten Lebenshaus wieder aufbauen.
Der Turm ist eine Karte der Zerstörung, der Heilung und des Erwachens – äußerst kraftvoll und trotz allem phänomenal.
Sei mutig, lasse es geschehen. Fege die Trümmer fort und baue aus dem Kern der Grundmauer einen neuen Turm. Sei liebevoll mit dir auf deinem Weg und verliere das Ziel nicht aus den Augen. Am Ende wartet die Selbsterkenntnis und nicht selten eine spirituelle Erneuerung.
Endlich wahrhaftig sein. Du wirst sehen, es ist absolut befreiend.
Originalbeitrag: https://www.taste-of-power.de/der-turm-im-tarot-16-grosse-arkana/