Betrachtung von Gerrit Gielen
„Was ist der Sinn meines Lebens?“, das ist eine Frage, die sich viele Menschen stellen. Wenn wir ihr aus biologischer Sicht nachgehen, ist die Antwort einfach: Es geht darum, am Leben zu bleiben und sich fortzupflanzen. Für das Überleben der Art oder sogar das Überleben der eigenen Gene zu sorgen. „Du bist dein Körper.“ Und unser Körper gilt dabei lediglich als ein Vehikel, das dafür sorgt, dass unsere Gene sich selbst reproduzieren.
Eine andere Sichtweise ist die der traditionellen Religion. Diese behauptet etwas ganz anderes: Gott hat uns geschaffen, und wir sind hier, um Ihm zu dienen.
Beide Auffassungen haben einen tiefgreifenden Einfluss auf unsere Kultur.
Miteinander gemeinsam haben sie, dass etwas außerhalb von uns unseren Daseinszweck definiert. Wir als Individuum sind nicht weiter wichtig. Wir sind entweder hier, damit das Überleben der Spezies gesichert ist, oder um einem Gott zu dienen, der wütend auf uns wird, wenn wir dies nicht tun. Unsere Meinung ist nicht gefragt. Wir selbst zählen nicht.
Auch die Gesellschaft, in die wir hineingeboren werden, begegnet uns auf diese Weise.
Vor allem in der Vergangenheit war dies der Fall. Als Mädchen hatte man der Mutter im Haushalt zu helfen und später zu heiraten, was hieß, zu Hause zu bleiben, die Kinder zu versorgen und dem Mann zu dienen. Etwas zu lernen, sich weiterzuentwickeln, seinen eigenen Weg zu finden, kam nicht in Frage: Das war höchst unweiblich und daher ganz einfach schlecht.
Als Junge war man nicht viel besser dran. Man lernte, seine Gefühle zu unterdrücken. Denn Gefühle waren etwas für Mädchen, nichts für Jungen. Sie standen einer männlichen Zukunft im Weg, schließlich musste man später zu harter körperlicher Arbeit taugen und als Soldat möglicherweise töten können. Die eigenen Wünsche, die eigenen Vorstellungen spielten keine Rolle. Diese konnten für eine Gesellschaft, die vom Gehorsam ihrer Bürger profitierte, nur gefährlich sein. Und das galt erst recht in einer Kriegssituation, in der strikter Gehorsam erforderlich war.
Die Gesellschaft bestimmte also unsere Zukunft. Und um zu überleben, musste man ihre Ziele zu seinen eigenen machen.
Kurz gesagt, bis vor kurzem wurde der Sinn unseres Lebens von äußeren Faktoren bestimmt wie von Gott, den Schranken unserer Körperlichkeit und von der Gesellschaft.
Das meine ich also eindeutig nicht damit, „den Sinn unseres Lebens zu finden“. Was aber dann? Gemeint ist, bedeutungsvoll für uns selbst zu sein und nicht für irgendjemanden oder irgendetwas anderes. Unser Lebenssinn muss von innen, muss aus unserem Inneren kommen, nicht von außen.
Ein solches Ziel werden viele religiöse und weltliche Autoritäten natürlich als egoistisch abstempeln. Immerhin glauben sie, von gehorsamen, bereitwilligen Dienern ihrer Interessen zu profitieren und nicht von mündigen, autonomen Individuen.
Was sagt es über mich als Mensch aus, wenn ich in der Lage bin, mir selbst ein Lebensziel zu erschaffen?
Normalerweise ist es so, dass der Sinn von etwas durch äußere Faktoren bestimmt wird. Zum Beispiel bestimmen wir, welchen Sinn und Zweck ein Stuhl hat, nicht der Stuhl selbst. Dies galt vor allem in der Vergangenheit auch für die meisten Menschen. Unser Umfeld – insbesondere unsere Eltern und die Gesellschaft – bestimmten, was wir mit unserem Leben anzufangen hatten. Wir waren demzufolge Teil einer umfassenden Kausalkette von Ursache und Wirkung. Wie die Dinge in der Vergangenheit verlaufen waren, bestimmte unsere Zukunft. Und so scheint auch die Welt um uns herum beschaffen zu sein und zu funktionieren: Alles, was geschieht, hat eine Ursache in der Vergangenheit.
Wenn wir als Mensch jedoch in der Lage sind, unseren eigenen Lebenssinn zu erschaffen, bedeutet dies, dass es etwas in uns gibt, das diese Kette von Ursache und Wirkung durchbrechen kann.
Da alle Prozesse, die in der Zeit und im physischen Raum um uns herum stattfinden, Teil dieser Kette sind, bedeutet dies, dass es in uns eine Quelle gibt, die über Zeit und Raum hinausgeht: das Bewusstsein. Es macht uns zum autonomen Menschen. Wir handeln dann unabhängig, selbständig. Zunächst tun wir dies innerhalb der Grenzen und Gegebenheiten der Gesellschaft und unserer Persönlichkeit, unseres kleinen Ich. Doch durch unser Bewusstsein können wir uns über diese Grenzen erheben, sie betrachten und über sie nachsinnen. Durch unser Bewusstsein können wir in die Vergangenheit zurückgehen und einen Blick in die Zukunft werfen. Durch unser Bewusstsein können wir uns über die Grenzen unserer Zeitlichkeit, unserer Vergänglichkeit erheben.
Das Erschaffen unseres Lebensziels bekommt dadurch eine noch tiefere Bedeutung: Es ist eine Form von Schöpfung. Aus der Domäne des Zeitlosen heraus manifestieren wir uns in dieser Welt. Das ist Schöpfung: Wir sind unsere eigenen Schöpfer.
Wenn mein Ursprung einzig in der Zeit – in der Vergangenheit – liegt, kann ich niemals mein eigener Schöpfer sein. Denn im Rahmen der Zeit kann ich mich nicht erschaffen, bevor ich existiere. In dem Fall müssten wir schlussfolgern, dass es vor meiner Geburt etwas gab, das mich erschaffen hat: In einer materialistischen Betrachtung der Wirklichkeit wären das meine Eltern.
Wenn also die Frage „Was ist der Sinn meines Lebens?“ eine Bedeutung hat, dann gibt es zwei Teile von mir: den schöpferischen Teil, der außerhalb der Zeit existiert, und meine irdische Persönlichkeit, die innerhalb der Zeit existiert. Beide sind ich: das große Ich und das kleine Ich; das schöpferische Ich und das erfahrende Ich; das göttliche Ich und das menschliche Ich. Meine Seele und meine Persönlichkeit.
Das kleine Ich lebt nicht nur auf der Erde, es lebt auch in dem großen Ich; alle Erfahrungen dieses kleinen Ichs sind Teil des großen Ichs.
Der Sinn und Zweck meines Lebens ist meinem großen Ichs bekannt: Wenn ich – das kleine Ich – also den Sinn meines Lebens wissen oder kennen will, besteht der allererste Schritt darin, mir meines großen göttlichen Ichs bewusst zu werden. Was wir unser Bewusstsein nennen, ist in Wirklichkeit das große Ich, das das kleine Ich „erfährt“.
Die Tatsache, dass wir diese Frage stellen können, ist ein Zeichen dafür, dass wir bis zu einem gewissen Grad mit unserem großen Ich, oder traditioneller ausgedrückt, mit unserer Seele, in Kontakt sind.
Das Entdecken, was unser Lebenssinn ist, kann über drei Schritte erlangt werden.
Schritt 1 – Sich des großen Ichs bewusst werden
Schritt eins bei der Suche nach unserem Lebenssinn besteht darin, sich des großen Ich, unserer Seele, bewusst zu werden.
Wo aber können wir dieses große Ich finden? Wir finden es nicht in der Außenwelt, aber in uns selbst. Hier stoßen wir auf drei bedeutsame Hindernisse. Das erste besteht darin, dass wir es nicht gewohnt sind, unsere Aufmerksamkeit nach innen zu richten. Wenn wir es versuchen, gelingt es uns meist nur für kurze Zeit, schon bald schweifen unsere Gedanken zu etwas außerhalb von uns ab – meist zu einem der vielen Dinge, die uns täglich beschäftigen.
Das zweite Hindernis ist psychischer Natur: Wir können nicht glauben, dass wir bedeutsam sind, dass wir wichtig sind. Wir können uns nicht vorstellen, dass es etwas Großes in uns gibt, etwas Ewiges.
Das dritte Hindernis ist ebenfalls psychischer Natur: Wir sind überzeugt, dass wir unwürdig sind. Die Kirchenvertreter haben jahrhundertelang von der Kanzel herab gepredigt, der Mensch sei von Natur aus sündig, schlecht: Das hat seine Spuren hinterlassen, hat unser Menschenbild, unser Selbstwertgefühl beeinflusst.
Auch in vielen literarischen Werken taucht das Bild hervor, dass die äußere Zivilisation des Menschen nicht mehr sei als eine dünne Firnis. Darunter liegt seine Schlechtigkeit versteckt, die der Mensch lieber verborgen hält: Deshalb sind so wenige von uns offen und spontan, deshalb neigen wir dazu, uns vor anderen zu verschließen.
Wie bringt man Menschen dazu, zu denken, dass sie schlecht seien? Es gibt viele Möglichkeiten, das zu erreichen. Und alle haben gemeinsam, dass sie einen Unterdrückungs-Mechanismus darstellen. Zunächst lässt man die Menschen glauben, dass Sex und sexuelle Fantasien schlecht seien. Dann, dass Männer und Frauen sich sehr voneinander unterscheiden sollten, dass demnach eine Frau das Männliche in sich selbst und ein Mann das Weibliche in sich selbst als schlecht anzusehen hat. Hat man Menschen an diesen Punkt gebracht, beginnen sie nicht nur, schlecht über sich selbst zu denken, sondern sind sie auch nicht mehr in der Lage, auf Mitglieder des anderen Geschlechts zuzugehen und sie angemessen zu behandeln. Das Resultat ist ein sich selbst erhaltendes System des Kampfes zwischen den Geschlechtern, ein Kampf, der ihre innere Spaltung und Selbstverachtung widerspiegelt.
Folge davon ist, dass wir nicht imstande sind, uns selbst zu lieben. Wer kann sich selbst vollständig und liebevoll umarmen?
Durch unser Unvermögen, uns selbst zu lieben, sagen wir gleichzeitig auch „Nein“ zu dem Höheren in uns, „Nein“ zu der Quelle bedingungsloser Liebe in unserem Herzen. Wir lassen das große Ich, den Sinngeber unseres Lebens, nicht in unser tägliches Leben ein. Wir suchen weiterhin nach Liebe und Sinn außerhalb von uns.
Wie können wir diese Hindernisse überwinden?
Der erste Schritt besteht darin, nach innen zu gehen und uns auf unsere innere Welt zu konzentrieren. Wir versuchen dies oft zu tun, indem wir zum Beispiel unserem Atem folgen. Doch schon bald tauchen Gedanken auf oder spüren wir irgendwo in unserem Körper eine Spannung oder einen Schmerz. Wie können wir damit am besten umgehen?
Es gibt immer Gedanken oder Bilder, die in unserem Inneren kreisen, über etwas, das wir zuvor erlebt haben oder das uns schon länger beschäftigt, oder es melden sich Gefühle von Ärger oder Kummer.
Geh bei Gefühlen oder Schmerzen hin zu den Bereichen, die da um deine Aufmerksamkeit bitten, nimm sie an und umgib sie mit Liebe. Unangenehme Dinge, die sich unangekündigt melden, haben oft mit Aspekten zu tun, die wir verdrängen oder unterdrücken. Wir heilen uns selbst, indem wir all dies liebevoll annehmen, indem wir aus tiefstem Herzen bedingungslos Ja dazu sagen.
Dies ist ein sehr kraftvolles Mittel dafür, während der Meditation mit inneren Störfaktoren umzugehen. Schließe deine Augen und spüre, wo sich die Orte des Schmerzes, der Spannung, des Ärgers oder der Angst in deinem Körper befinden. Dies sind die Orte, die um Aufmerksamkeit bitten, die deine Liebe und dein Licht brauchen. Gib ihnen all dies.
Wenn du zum Beispiel irgendwo Wut spürst, dann sieh innerlich, dass an dieser Stelle ein wütendes oder zorniges Kind sitzt. Gebrauche einfach deine Fantasie. Die Vorstellungskraft ist ein kraftvolles Hilfsmittel, das es uns ermöglicht, uns mit unserer inneren Welt zu verbinden. Die Menschen verwerfen die Vorstellungskraft oft als etwas, das nicht real ist und darum keinen wirklichen Wert hat. Aber mach dir bewusst, erfasse, dass alle großen Kunstwerke, wie die Mona Lisa, die Pyramiden, meisterhafte Romane und Gedichte, Bildhauereien, Filme und Theaterstücke, wunderschöne Opern und Symphonien, dass all diese wunderbaren Schöpfungen der menschlichen Vorstellungskraft entspringen. Unsere Vorstellungskraft ist sehr persönlich und sehr einzigartig, sie sagt uns immer etwas über uns selbst.
Nutze deine Phantasie dafür, mit deinem inneren Kind in Kontakt zu kommen. Hör diesem Kind zu, sei für es offen und liebe es. Dieses Kind ist ein Teil von dir – ein Teil von dir vielleicht, den du lange Zeit vernachlässigt hast, und vielleicht ein Teil von dir, der eine wichtige Botschaft für dich hat.
Wenn wir uns das erlauben, wenn wir all diese unterdrückten Teile von uns selbst ansehen, ohne zu urteilen, wenn wir all diese Teile von uns selbst annehmen und lieben, dann werden wir zu Wahrnehmenden unseres kleinen Selbst, unserer Persönlichkeit. Und dann geschieht etwas Wunderbares: Indem wir unsere Persönlichkeit auf diese Weise wahrnehmen, verlagert sich unser Bewusstsein in das große Ich.
Wenn wir uns die Frage stellen: „Was ist der Sinn meines Lebens?“, dann drücken wir damit bereits aus, dass wir die Antwort nicht kennen und dass wir die Antwort außerhalb unserer selbst suchen. Aber die Antwort liegt in uns, in unserer Seele.
Und wir kommen mit ihr in Kontakt durch Selbstannahme. Je mehr wir uns selbst annehmen, desto weniger urteilen wir über uns, und je mehr wir beginnen, Wertschätzung und Liebe für uns selbst zu empfinden, desto mehr kommen wir in Kontakt mit unserer Seele.
Wir finden die Antwort nicht, indem wir die Frage an unsere Seele, an das große Ich stellen, wir finden sie, indem wir dieses große Ich werden.
Zusammenfassend gesagt: Das Bewusstwerden des großen Ichs entsteht durch das liebevolle Annehmen des kleinen Ichs.
Schritt 2 – Das Bewusstwerden von Blockaden
Unser kleines Selbst ist angefüllt mit Vorstellungen, Gedanken und Gefühlen, die in Reaktion auf die Außenwelt entstehen. Da die meisten Vorstellungen und Konzepte der Außenwelt auf Angst basieren, blockieren sie die Energie unserer Seele, die auf Liebe basiert. Einige dieser Konzepte erscheinen so offensichtlich oder selbstverständlich, dass wir uns kaum vorstellen können, dass sie nicht wahr sind.
Was auch immer unser Lebensziel ist, wir werden es nie erfüllen können, solange wir auf Angst basierende Vorstellungen oder Konzepte bejahen und uns zu Eigen machen. Es ist daher wichtig, diese Vorstellungen zu erkennen und loszulassen.
Was sind dies für Vorstellungen?
Zum Einen ist da unsere primäre Reaktion auf die auf Angst basierenden Energien der Gesellschaft, denen wir ausgesetzt sind. Wir haben das Gefühl, dort nicht hineinzupassen, anders zu sein. Wir sollen heranwachsen, uns verändern, erwachsen werden. Letzteres bedeutet: beiseiteschieben, wer wir sind, und die Normen der Gesellschaft verinnerlichen. Das Resultat ist ein Zustand permanenter Selbstverurteilung.
Indem wir uns selbst unaufhörlich verurteilen, unterdrücken wir die Energie unserer Seele, was einen Mangel an Selbstliebe zur Folge hat. Die Lösung dieses Problems suchen wir dann außerhalb von uns selbst. Und so beginnt die große Suche nach Liebe. Wir glauben, dass die Welt als Ganzes nicht an uns interessiert ist und dass wir uns darum sehr anstrengen müssen, uns ein wenig Liebe von jemandem zu verdienen.
Eine weitere Folge der Unterdrückung unserer Seele ist ein Gefühl der Machtlosigkeit oder Ohnmacht. Wir beginnen zu glauben, dass wir keine Kontrolle über unser eigenes Leben haben. Andere Menschen haben die Macht, nicht wir.
Weil wir uns als von unserer Seele getrennt erleben, glauben wir zudem, dass alles voneinander getrennt ist und auch wir von allem getrennt sind. Nicht nur meinen wir uns durch Mauern und Grenzen von anderen Menschen getrennt, sondern auch von anderen Planeten innerhalb unseres Sonnensystems und von den zahllosen Sonnensystemen da draußen in einem unermesslichen Raum.
Es gibt also im Grunde vier Ängste, die wir verinnerlichen, uns sozusagen zu Eigen machen, und die den Kontakt mit der Seele behindern.
– Die Angst vor Mangel im Allgemeinen und vor Mangel an Liebe im Besonderen.
– Die Angst vor Machtlosigkeit oder Ohnmacht.
– Die Angst vor Getrenntheit.
– Die Angst, minderwertig zu sein.
Um diese Ängste zu überwinden, müssen wir uns ihrer zunächst bewusst werden. Das können wir tun, indem wir die folgenden Vorstellungen eine nach der anderen verinnerlichen:
– Ich bin eine Quelle der Liebe und der Fülle.
– Ich bin ein kraftvoller Schöpfer, eine kraftvolle Schöpferin.
– Ich bin innerlich mit allem verbunden.
– Ich bin ein unentbehrlicher Teil des Universums; ohne mich wäre es nicht vollständig.
Wenn du einen dieser Gedanken für dich annimmst, zum Beispiel „Ich bin eine Quelle der Liebe“, wirst du wahrscheinlich sofort Widerstand spüren. Höchstwahrscheinlich wird sofort ein Gedanke auftauchen, der diese Vorstellung ablehnt. Gebrauche nun deine Vorstellungskraft. Stelle dir vor, dass es irgendwo in deinem Inneren eine Person gibt, die diesen ablehnenden Gedanken äußert, zum Beispiel, dass die Vorstellung, dass du eine Quelle der Liebe bist, lächerlich oder unrealistisch sei.
Nimm dir Zeit, diese Person zu erkunden. Woher kommt sie oder er? Sehr wahrscheinlich ist es eine Stimme aus der Vergangenheit, möglicherweise von einem deiner beiden Elternteile, aber wenn du es eine Weile auf dich wirken lässt, wirst du erkennen, dass es eine Stimme von außen ist. Die Stimme kommt nicht von innen, sie gehört nicht wirklich dir. Es ist eine Stimme, die in irgendeiner Weise aus den Ängsten und Vorstellungen der menschlichen Gesellschaft stammt. Dann sag erneut: „Ich bin eine Quelle der Liebe.“ Spüre, wo der Ursprung dieser Stimme liegt: Sie entspringt definitiv einer ewigen Welt des Lichts und der Liebe, dem Bereich der Seele, deinem Ursprung.
Nimm darum den Gedanken, die Anschauung in dich auf: „Ich bin eine Quelle der Liebe.“ Wiederhole dies mehrmals am Tag. Und spüre immer die Quelle dieser Stimme.
Und jedes Mal, wenn du einen dieser positiven Gedanken wiederholst, achte dabei auf die negative Reaktion in dir. Erkunde, begleite sie mit Hilfe deiner Vorstellungskraft. Du wirst wahrscheinlich zu dem Schluss kommen, dass der Ursprung all dieser negativen Überzeugungen außerhalb deiner selbst liegt. Du hast sie verinnerlicht. Je mehr du dir dessen bewusst wirst, desto leichter wird es, von ihr abzulassen. So entsteht Raum in dir, Raum für dein eigenes Licht: das große Ich.
Schritt 3 – Der Sinn deines Lebens: strahlen
Was ist der Sinn unseres Lebens?
Dies ist natürlich für jeden von uns ein wenig anders, aber dennoch kann man sagen: Wenn die Energie unserer Seele frei in die Welt hineinströmt, wenn wir unser authentischstes wahrstes Selbst in der Welt zum Ausdruck bringen, haben wir den Sinn unseres Lebens gefunden. Dann strahlen wir.
Für Menschen, die dies bereits tun, stellt sich die Frage nicht mehr, ist sie einfach verschwunden; sie fühlen es, sie wissen es. Sie sind ein bisschen wie glückliche Kinder, die in der Sonne spielen, sie genießen das Leben und leben unbekümmert im Jetzt-Moment. Die großen Fragen sind ihnen nicht so wichtig, denn eine große Frage ist oftmals ein Zeichen von innerem Unglück. Jemand, der wirklich glücklich ist, fragt normalerweise nicht: „Warum bin ich hier? Was ist mein Ziel?“. Glücklich zu sein, ist tatsächlich bereits die Antwort auf diese Fragen.
Viele Menschen aber sind nicht glücklich und fragen sich, warum sie hier sind. Sie fühlen sich nicht willkommen in dieser Welt. Die auf Angst basierenden Energien unserer Gesellschaft sind so beschaffen, dass sie die Energie des großen Ichs unterdrücken. Die Welt will, dass wir klein sind, dass wir uns anpassen und folgsam sind. Sie will nur das kleine Ich und nicht das große. In unserer Kindheit dann machen wir uns diese Vorstellungen von der Welt zu Eigen und weisen damit im selben Moment das große Ich zurück. Als Folge davon fühlen wir uns nicht wirklich glücklich und beginnen, die großen Fragen zu stellen.
Was ist also Sinn und Ziel unseres Lebens? Zum Ersten, uns unseres großen Ichs bewusst zu werden. Doch das ist nicht alles. Auch unser kleines Ich ist sehr bedeutend. Wenn wir den Sinn unseres Lebens finden wollen, sollten wir unsere irdische Persönlichkeit nicht ablehnen. Wir können darauf vertrauen, dass unsere irdische Persönlichkeit nicht ohne Grund da ist: Sie ist ein wesentlicher Teil, den wir brauchen, um den Sinn unseres Lebens zu realisieren. Wenn wir uns des kleinen Ichs bewusst werden, werden wir uns eines beinah unendlichen Potenzials bewusst.
Wir können das kleine Ich mit einem Stück farbigen Glases vergleichen, das nur bestimmte Strahlen des Sonnenlichts durchlässt. Die Sonne steht für das große Ich, das farbige Glas für das kleine Ich. In diesem Vergleich stehen alle Schatten oder Flecken auf dem Glas für unsere Ängste und unsere auf Angst basierenden Vorstellungen. Durch sie filtert das kleine Ich auch die Energie der Seele, wodurch nur bestimmte Aspekte ihrer Energie in diese Welt strömen können.
Damit dieser Filter korrekt funktionieren kann, sind drei Schritte erforderlich. Zunächst müssen wir den Filter reinigen. Dies geschieht, indem wir uns alter Ängste bewusst werden. Wir können dies mit dem Reinigen eines Glases vergleichen. Als Zweites müssen wir uns der Existenz des großen Ich bewusst werden und es anerkennen. Wenn das Glas nicht mehr verschmutzt ist, kann das Sonnenlicht hindurch strömen. Und schließlich ist es notwendig, die Wirkweise des Filters zu kennen. Welche Farbe hat das Glas? Welchen Teil der Seelenenergie möchte es in der Gesellschaft leuchten lassen?
Bei der Suche nach dem Sinn unseres Lebens können zwei Problematiken auftreten. Wenn wir diese Problematiken anhand der Analogie mit dem farbigen Glas ausdrücken, besteht das erste Problem darin, dass das Glas nicht sauber ist: Es ist fleckig, es lässt das Licht nicht ungehindert durch. Die Flecken auf dem Glas stehen für unsere angstbasierten Gedanken und Überzeugungen. Denken wir zum Beispiel an jemanden, der von Natur aus künstlerisch veranlagt ist, aber Angst vor Mangel hat. Ein solcher Mensch glaubt dann möglicherweise, er müsse hart arbeiten, um über die Runden zu kommen. Er wird dann nicht mehr aus seiner inneren Quelle, aus seiner Kreativität heraus wirken und arbeiten, sondern aus seiner Angst vor Mangel heraus. Schließlich wird er beginnen, sich unglücklich zu fühlen und sich fragen: „Ist das jetzt alles? Was ist eigentlich der Sinn meines Lebens?“
Das zweite Problem, das auftreten kann, ist, dass ein Mensch sich nicht der Farbe seines Glases bewusst ist, weshalb er meint, alles Licht durchlassen zu können. So jemand ist sich der Grenzen seiner Persönlichkeit nicht bewusst. Er oder sie glaubt dann zum Beispiel, die ganze Welt retten und verändern zu können und jedem unbegrenzt Liebe geben zu können. Dies wird zwangsläufig in einer tiefen Enttäuschung enden oder sogar zu traumatischen Erfahrungen führen.
Um unserer Lebensziel zu finden, müssen wir uns also nicht nur unserer Seele bewusst sein, sondern uns auch unserer Persönlichkeit gewahr sein: der Farbe des Glases.
Das eigene Bewusstsein allzu sehr seiner Persönlichkeit zu widmen, ist das, was wir das Ego nennen: Je mehr wir unser Bewusstsein auf unsere Persönlichkeit fokussieren, ein desto größeres Ego haben wir. Menschen mit einem großen Ego halten ihre eigene Persönlichkeit für sehr wichtig. Das klingt problematisch, aber der umgekehrte Fall, ein fehlendes Bewusstsein über die Wirkens- und Handlungsweise des Egos, ist dies mit Sicherheit auch. Es führt zu einem mangelnden Einblick in die eigene Persönlichkeit und damit zu einem Mangel an Selbsterkenntnis. Mit einem fehlenden Ego liefern wir uns den Energien unserer Umgebung aus.
Erkennen wir darum unser Ego an, seien wir uns unserer Persönlichkeit bewusst, denn dann wissen wir, was wir wirklich wollen: Wir entdecken die Farbe unseres eigenen Filters. Wenn wir dies aus unserem wahren Selbst – dem großen Ich – heraus einmal verstehen, werden wir den Sinn unseres Lebens (er)kennen. Wenn dieser uns klar wird, können wir beginnen, die Energie unserer Seele gemäß unserer eigenen Farbe, gemäß unserer eigenen Persönlichkeit zum Ausdruck zu bringen, und um das tun zu können, brauchen wir unser Ego. Es ist unser Ego, das „Nein“ sagt zu Energien von außen, die uns benutzen oder dominieren wollen. Und wir brauchen unser Ego auch dafür, die Energie unserer Seele einzudämmen und sie so zu bündeln und zu fokussieren, um das Leben genießen zu können.
Und schließlich: Was ist ein Ziel eigentlich?
Wenn wir an das Wort „Ziel“ denken, denken wir sehr stark in irdischen Begriffen. Ein Ziel ist dann etwas, das man in der Zukunft erreichen möchte, etwas, das man anstrebt. Aber was? „Das Erlangen einer Sache ist das Ende des Vergnügens“, lautet ein altes und sehr treffendes [niederländisches] Sprichwort.
Das Wort Ziel bedeutet für die Seele etwas ganz anderes als für unsere Persönlichkeit. Zeit spielt für die Seele keinerlei Rolle.
Wenn es keine Zeit gibt, was bedeutet dann das Wort Ziel?
Wenn es keine Ziele in der Zukunft gibt, ist das einzige Ziel: Sinn zu finden im Jetzt. Sinn im Jetzt zu finden, ist nur möglich, wenn wir mit dem Jetzt im Frieden sind. Im Frieden mit dem Jetzt zu sein, ist nur möglich, wenn wir im Frieden mit uns selbst sind.
Vielleicht ist dies das wahre Ziel unserer Seele: alle äußeren Ziele loszulassen und Frieden mit uns selbst zu finden, so, wie wir hier und jetzt sind.
Stelle dir einmal vor, dass du in diesem Augenblick vollkommenen Frieden mit dir selbst findest. Kein Kampf mehr.
Spüre einmal, welch eine Ruhe das schenkt, und welche Lust am Leben….
Autor: © Gerrit Gielen (Link zum Original-Text)
Übersetzung: Yvonne Mohr, https://www.lichtderwelten.de/index.php/betrachtungen/gerrit-gielen/das-eigene-lebensziel-finden