Mit wem willst du gehen? Anja Reiche

Gute Beziehung ist keine Einbahnstraße. So sehr war ich es gewohnt, alleine fĂŒr (guten?) Kontakt verantwortlich zu sein.

Ich war dafĂŒr verantwortlich, mich zu melden, vorbeizukommen. Ich war dafĂŒr verantwortlich, dass es dem anderen gut geht. Ich war dafĂŒr verantwortlich, dem anderen zuzuhören, mich zu interessieren, VerstĂ€ndnis zu haben, zu unterstĂŒtzen, wo ich nur konnte, fĂŒr die angenehme AtmosphĂ€re.

„Der andere ist wichtiger als ich.
Gehen ist keine Option. Darf ich nicht. Ich hab zur VerfĂŒgung zu stehen.“ So meine Überzeugungen. So hatte ich eine „gute“ Beziehung in mir definiert. Aus der kindlichen Erfahrung. So geht Beziehung also. Ich spiele darin keine Rolle oder besser nur die Rolle, den anderen zu befriedigen. Meine BedĂŒrfnisse sind nicht relevant.

Wenn etwas nicht stimmte im Kontakt, musste ich herausfinden, was es ist. FĂŒhlen. Dröseln. Beim anderen mitspĂŒren. FĂŒr mich alleine, weil mir vom anderen immer signalisiert wurde, dass bei ihm alles in Ordnung ist. Das Problem hatte ja ich.

Nur passte das Gesagte nicht zu dem, was schwang. Also forschte ich. Wollte beweisen. ÜberfĂŒhren. Wollte endlich, dass der andere zugibt, dass da tatsĂ€chlich etwas mitschwang, unterschwellig eine andere Botschaft drin war, mir vielleicht sogar Schuld an etwas gegeben wurde, fĂŒr das ich nichts konnte.

Der andere hat Seins nicht genommen, das wusste ich damals aber nicht zu greifen und zu benennen. Ich wusste nur, da passt was nicht. Meine Reklamation wurde weggewischt und mir erklÀrt, dass da bei mir was nicht stimmt.

So kam einmal der RĂŒckschluss, dass es ausschließlich an mir liegt, wenn Beziehung nicht funktioniert und das alle Verantwortung fĂŒr das Miteinander bei mir liegt. Der andere war ja immer fein raus. Aus tausend GrĂŒnden.

Gleichzeitig war auch klar, dass ich erst das RĂ€tsel gelöst haben muss, völlig klar sein muss, was da beim anderen nicht stimmt, bevor ich ĂŒberhaupt erst das Wort erheben durfte. So war ich viel beim anderen, statt bei mir. So schwieg ich viel zu lange, weil ich ja noch unklar war.

Ich hatte nicht erlebt, dass es reicht, zu sagen, dass sich das gerade nicht gut anfĂŒhlt. Ich hatte nicht erlebt, dass der andere dann tatsĂ€chlich reflektiert und ehrlich ist. Ich hatte nicht erlebt, dass mein GegenĂŒber Seins zu sich nimmt und ebenfalls in die Verantwortung fĂŒr das Miteinander geht.

Ich merke, wie immer mehr Menschen in meinem Umfeld aus solchen alten, missbrĂ€uchlichen, destruktiven Beziehungen gehen. Mir inklusive. Immer schneller wird klar, wann ich mich umdrehe und gehe, die TĂŒr wortlos zugeht, weil jedes Wort umsonst ist.

Beziehung, Partnerschaft, Gemeinschaft braucht alle in der Verantwortung und in der Verbindung mit sich selbst, in der Bewusstheit und der Bereitschaft, immer noch bewusster zu werden.

Wie bin ich mit mir gerade in Kontakt, in Verbindung, wÀhrend ich dem anderen begegne? Nehme ich mich wahr? Bin ich wirklich prÀsent und da?

Nicht nur miteinander da sein, sondern beieinander und auch fĂŒreinander. Hab ich „sie grad alle beisammen“? Meine Anteile? Meine Sinne? Sehe ich das Wir, den anderen, OHNE mich zu verlassen?

Bin ich wirklich mit dem da, was in mir gerade lebendig ist? Bringe ich mich in Kontakt?

Und vor allem darauf kommt es mir gerade besonders an: Ist der andere genauso vollumfÀnglich da?

Mit wem will ich gehen? Mit wem will ich sein? Wer sind die wahren WeggefĂ€hrten mit dem gleichen Commitment sich und dem Leben gegenĂŒber, der Schöpfung und den Mitschöpfern?

Menschen von meinem Tribe verstehen, was ich meine. Denen muss ich nichts erklĂ€ren. Und mit denen will ich gehen. Miteinander. FĂŒreinander einstehend. Aufeinander achtend. Wohlwollend und gleichzeitig eigenverantwortlich, weil jeder bereit ist, das Seine zu nehmen und beizutragen.

Ich weiß, mit wem ich gehen will. Klarer denn je. Ich sehe sie stehen. Fackeln in der Hand und ich bin unglaublich stolz auf diese Feuerfrauen und LöwenmĂ€nner. Danke! Here we are! đŸ”„

Geschrieben von Anja Reiche um 4/09/2024