Gute Beziehung ist keine Einbahnstraße. So sehr war ich es gewohnt, alleine für (guten?) Kontakt verantwortlich zu sein.
Ich war dafür verantwortlich, mich zu melden, vorbeizukommen. Ich war dafür verantwortlich, dass es dem anderen gut geht. Ich war dafür verantwortlich, dem anderen zuzuhören, mich zu interessieren, Verständnis zu haben, zu unterstützen, wo ich nur konnte, für die angenehme Atmosphäre.
„Der andere ist wichtiger als ich.
Gehen ist keine Option. Darf ich nicht. Ich hab zur Verfügung zu stehen.“ So meine Überzeugungen. So hatte ich eine „gute“ Beziehung in mir definiert. Aus der kindlichen Erfahrung. So geht Beziehung also. Ich spiele darin keine Rolle oder besser nur die Rolle, den anderen zu befriedigen. Meine Bedürfnisse sind nicht relevant.
Wenn etwas nicht stimmte im Kontakt, musste ich herausfinden, was es ist. Fühlen. Dröseln. Beim anderen mitspüren. Für mich alleine, weil mir vom anderen immer signalisiert wurde, dass bei ihm alles in Ordnung ist. Das Problem hatte ja ich.
Nur passte das Gesagte nicht zu dem, was schwang. Also forschte ich. Wollte beweisen. Überführen. Wollte endlich, dass der andere zugibt, dass da tatsächlich etwas mitschwang, unterschwellig eine andere Botschaft drin war, mir vielleicht sogar Schuld an etwas gegeben wurde, für das ich nichts konnte.
Der andere hat Seins nicht genommen, das wusste ich damals aber nicht zu greifen und zu benennen. Ich wusste nur, da passt was nicht. Meine Reklamation wurde weggewischt und mir erklärt, dass da bei mir was nicht stimmt.
So kam einmal der Rückschluss, dass es ausschließlich an mir liegt, wenn Beziehung nicht funktioniert und das alle Verantwortung für das Miteinander bei mir liegt. Der andere war ja immer fein raus. Aus tausend Gründen.
Gleichzeitig war auch klar, dass ich erst das Rätsel gelöst haben muss, völlig klar sein muss, was da beim anderen nicht stimmt, bevor ich überhaupt erst das Wort erheben durfte. So war ich viel beim anderen, statt bei mir. So schwieg ich viel zu lange, weil ich ja noch unklar war.
Ich hatte nicht erlebt, dass es reicht, zu sagen, dass sich das gerade nicht gut anfühlt. Ich hatte nicht erlebt, dass der andere dann tatsächlich reflektiert und ehrlich ist. Ich hatte nicht erlebt, dass mein Gegenüber Seins zu sich nimmt und ebenfalls in die Verantwortung für das Miteinander geht.
Ich merke, wie immer mehr Menschen in meinem Umfeld aus solchen alten, missbräuchlichen, destruktiven Beziehungen gehen. Mir inklusive. Immer schneller wird klar, wann ich mich umdrehe und gehe, die Tür wortlos zugeht, weil jedes Wort umsonst ist.
Beziehung, Partnerschaft, Gemeinschaft braucht alle in der Verantwortung und in der Verbindung mit sich selbst, in der Bewusstheit und der Bereitschaft, immer noch bewusster zu werden.
Wie bin ich mit mir gerade in Kontakt, in Verbindung, während ich dem anderen begegne? Nehme ich mich wahr? Bin ich wirklich präsent und da?
Nicht nur miteinander da sein, sondern beieinander und auch füreinander. Hab ich „sie grad alle beisammen“? Meine Anteile? Meine Sinne? Sehe ich das Wir, den anderen, OHNE mich zu verlassen?
Bin ich wirklich mit dem da, was in mir gerade lebendig ist? Bringe ich mich in Kontakt?
Und vor allem darauf kommt es mir gerade besonders an: Ist der andere genauso vollumfänglich da?
Mit wem will ich gehen? Mit wem will ich sein? Wer sind die wahren Weggefährten mit dem gleichen Commitment sich und dem Leben gegenüber, der Schöpfung und den Mitschöpfern?
Menschen von meinem Tribe verstehen, was ich meine. Denen muss ich nichts erklären. Und mit denen will ich gehen. Miteinander. Füreinander einstehend. Aufeinander achtend. Wohlwollend und gleichzeitig eigenverantwortlich, weil jeder bereit ist, das Seine zu nehmen und beizutragen.
Ich weiß, mit wem ich gehen will. Klarer denn je. Ich sehe sie stehen. Fackeln in der Hand und ich bin unglaublich stolz auf diese Feuerfrauen und Löwenmänner. Danke! Here we are! 🔥
Geschrieben von Anja Reiche um 4/09/2024