Ge(h)DANKE zum Volkstrauertag: Wenn der Staat sich selbst in den Spiegel schaut.
Am 17. November 2024 wird in Deutschland der Volkstrauertag begangen – ein Tag des Gedenkens an die Opfer von Kriegen und Gewaltherrschaft. Kränze werden niedergelegt, Reden gehalten, und der „Schrecken des Krieges“ wird beschworen, ganz ohne dessen Glorifizierung. So weit, so staatstragend. Doch bei all den feierlichen Gesten fragt man sich: Was passiert, wenn der Krieg nicht nur „da draußen“ tobt, sondern sich nach innen richtet? Wenn nicht ein fremdes Land der Feind ist, sondern die eigenen Bürgerinnen und Bürger?
Stellen wir uns einfach mal vor, irgendwo verirrte sich ein Politiker an ein Podium und sprach:
„Wir gedenken heute nicht nur der Soldaten und Zivilisten, die in fremden Konflikten starben, sondern auch derer, die durch unsere eigenen Entscheidungen zu Tode kamen. Derjenigen, die wir mit Bürokratie erdrückten, durch Ignoranz verloren oder durch wirtschaftliche Härte in Verzweiflung trieben. Wir legen einen Kranz nieder für die, die den sozialen Frieden nicht überlebten.“
Es gäbe sicher erstaunte Gesichter. Nicht, weil solche Opfer schwer zu finden wären – sondern weil man sie in der stillen Würde dieses Tages schlicht nicht vorsieht. Volkstrauertag: Ja, für die Opfer von Kriegen zwischen Nationen. Aber für die Kollateralschäden staatlicher Innenpolitik? Schweigen.
Denn die Bürger, die unter Armut, Perspektivlosigkeit, staatlicher Gewalt oder auch bloß an der schieren Gleichgültigkeit der Bürokratie zerbrochen sind, haben keine Denkmäler. Kein Soldatenhelm ziert ihre Gräber. Sie werden nicht in zentralen Gedenkstunden erwähnt, weil sie in keinen feierlichen Rahmen passen. Weder romantisiert noch heldenhaft.
Wer trauert um diese Toten? Wer hält für sie eine Schweigeminute ab? Vielleicht niemand. Und genau das könnte der Punkt sein, an dem Ironie und Bitterkeit zusammenfinden: Am Volkstrauertag weht die Fahne für die Geschichte. Doch wer trauert um die, die im System heute still verschwinden?
Vielleicht sollten wir nächstes Jahr einen Kranz niederlegen – vor den Schreibtischen, die solche Entscheidungen treffen.
Und in der Zwischenzeit? Gedenken wir – derer – und der anderen.
esistallesda.de I Sonntag I 17. November 2024